Das Geldrätsel: Geld, Kredite und Forderungen

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Diese drei Begriffe hängen irgendwie zusammen, sind aber auch Anlass für viele Missverständnisse, wenn ihre unterschiedliche Bedeutung nicht klar herausgestellt wird. Was bedeutet zum Beispiel die Zahl auf unserem Kontoauszug? Stellt sie „Geld“ dar, ist es ein „Kredit“, ein Vermögenswert, eine "Forderung" oder aber ein „Recht“?

Wie kommt es zu solch unterschiedlichen Auffassungen? Betrachten wir ein Giroguthaben bei der Geschäftsbank. Banktechnisch gesehen handelt es sich bei den Giroguthaben auf der Passivseite der Bankbilanz um „Verbindlichkeiten der Bank gegenüber Kunden“, vereinfacht gesagt um Schulden der Bank.

Wie aber kann ich mit Schulden der Bank meine Rechnung bezahlen oder wie können Schulden der Bank zur Deckung eines Kredites verwendet werden?

Die Verwirrung entsteht durch die weit verbreitete Auffassung, dass auf den Girokonten „Geld“ liegen würde. Da dieses „Geld“ der Kunden zu einem Großteil auf den Girokonten verbleibt, kann es für Kredite verwendet werden? Dann müsste es bei der Auszahlung von Krediten jedoch auch entsprechend verringert werden, was ganz offensichtlich nicht der Fall ist. Im Gegenteil, bei Krediten der Bank steigen die Giroguthaben insgesamt an. Wie lässt sich dieses Rätsel lösen?

Banker und Volkswirte leben überwiegend in jeweils eigenen Begriffswelten. Nachfolgend wird versucht, diese unterschiedlichen Denkebenen zu untersuchen und zu vergleichen. Dabei wird unterschieden in eine "Ding-Geld-Ebene" und eine "Schuld-Geld-Ebene"

Die oben gestellte Frage "Wie aber kann ich mit Schulden der Bank meine Rechnung bezahlen oder wie können Schulden der Bank zur Deckung eines Kredites verwendet werden? " resultiert aus der Sichtweise der "Ding-Geld-Ebene". Geld muss ein Ding sein, dessen Menge in den Kontenbüchern notiert wird. Diese Betrachtung führt zwangsläufig vielfach in die Irre, da in einer Bilanz kein "Geld" notiert wird sondern lediglich Sachvermögen sowie Forderungen und Verbindlichkeiten oder auch Guthaben und Schulden. Aus juristischer Sicht kann man auch von Rechten sprechen. Bewegt man sich deshalb auf der Ebene von Bankbilanzen und der Bankbuchführung, sollte man sich bewusst sein, dass unsere heutigen Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. Dies ist keine neue Erkenntnis sondern wurde bereits 1952 von Erich Schneider, einem Volkswirt, so formuliert. Unser Giralgeld besteht aus Forderungen an die Bank. Es ist unser Guthaben gegenüber der Bank. Entsprechend bezeichnet die Bank sie als eigene Verbindlichkeit (Schuld) gegenüber den Bankkunden. Wir befinden uns damit auf der "Schuld-Geld-Ebene" in welcher nur Forderungen als Zahlungsmittel angesehen werden. Es erscheint jetzt auch logisch, dass mit Schulden keine Kredite finanziert oder Rechnungen bezahlt werden können . Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichtweisen hilft, Fehlschlüsse der vorgenannten Art zu vermeiden. Dazu werden beide "Ebenen" nachfolgend ausführlich beschrieben.


Ding-Geld-Ebene

Beginnen wir mit der allgemeinen Auffassung von Geld. Oft wird nur das Bargeld als tatsächliches Geld angesehen[1]. Dies ist wohl im Wesentlichen noch auf die Goldwährungszeit zurückzuführen in der nur werthaltige Gold- und Silbermünzen „echtes Geld“ darstellten. Das später eingeführte Papiergeld stellte nur einen Ersatz für das der Bank übergebene „echte Geld“ dar. Die Bank verpflichtete sich auf der Banknote den Banknotenwert in Gold- oder Silbermünzen auszuzahlen, wenn die Banknote am Bankschalter vorgelegt wurde. Die Banknote war ein Schuldschein der Bank. Noch wirkungsvoller für den Zahlungsverkehr waren Bankguthaben, mit denen Zahlungen sehr erfolgreich und effektiv, ohne jegliche Bewegung von Gold– oder Silbermünzen aber auch ohne die Verwendung von Banknoten, getätigt werden konnten. Ein frühes Beispiel für eine weitgehend reine Überweisungsbank war die Amsterdamer Wechselbank. Sie nahm Gold- und Silbermünzen entgegen und schrieb sie als Bankgulden, eine interne Verrechnungseinheit, gut. Zahlungen konnten fortan mit der Überweisung von Bankgulden von einem Konto auf ein anderes Konto getätigt werden. Die Bankgulden, die Zahlen auf den Kontenblättern der Bank, standen somit stellvertretend für das eingezahlte „echte Geld“. Im Laufe der Jahrhunderte verschwanden die werthaltigen Münzen wie auch jeder Bezug zu Gold und Silber aus den Währungssystemen. Unser heutiges Geldsystem besteht nur noch aus Scheidemünzen[2], Geldscheinen und Kontoguthaben.

Aus ehemaligen Ansprüchen auf Gold- und Silbermünzen sind nur noch Ansprüche auf die Vermögenswerte der Geschäftsbanken und der Zentralbank geblieben.

Diese Aussage mag etwas verunsichern und wird deshalb nachfolgend noch näher erläutert. Geblieben aus der Goldwährungszeit ist jedoch das Vorstellungsmodell von Geld als einem Sachgut. Münzen und Geldscheine wie auch die Kontoguthaben bei der Bank werden als „Geld“ wahrgenommen. Die Kontoguthaben stellen lediglich eine andere Form von „Geld“ dar. Mit diesem „Geldmodell“ kann man sehr viele Funktionen und Wirkungsweisen unseres Wirtschaftssystems „begreiflich“ machen, da die Grundeinheit quasi ein "Stück Geld“ darstellt. Die Volkswirte benutzen dieses Modell für allgemeine Aussagen über die Wirtschaft und die Rolle, welche die Banken dabei spielen. Die Deutsche Bundesbank hierzu:

Banken spielen eine wichtige Rolle als Geldvermittler in der Wirtschaft. Auf der einen Seite nehmen sie das Geld von Sparern entgegen. Auf der anderen Seite geben sie es in Form von Krediten an Unternehmen oder Privatpersonen weiter, die damit beispielsweise neue Maschinen oder Immobilien kaufen können. [3][4]

Eine plausibel erscheinende Funktionsbeschreibung der Banken, die auch für viele Erklärungen der Volkswirte über unser Wirtschaftssystem ausreichen mag. Die Bank wird dabei als eine "Black Box" angesehen, deren Eigenschaften man anhand der Auswirkungen auf das jeweilige Wirtschaftsmodell beschreibt. Geht es jedoch an die Untersuchung von bankinternen Vorgängen erweist sich diese vereinfachte Darstellung als fatal, da sie die Ursache für viele Missverständnisse ist.

Schuld-Geld-Ebene

In der Sprache der Bankbuchhalter haben wir es im Wesentlichen mit Forderungen und Verbindlichkeiten zu tun, wenn Außenstehende über Geld sprechen. Hierzu wieder ein Rückgriff auf die Amsterdamer Wechselbank. Zuvor wurde erklärt, dass sie Gold- und Silbermünzen annahm und dem Einlieferer Bankguthaben gutschrieb. Als Werteeinheit benutzte sie den "Bankgulden" eine interne Verrechnungseinheit, die nie als Münze existierte. Es stellt sich unweigerlich die Frage, wem denn die eingelieferten Gold- und Silbermünzen gehörten. Sie gehörten der Bank. Der Kontoinhaber erhielt als Gegenleistung ein Bankguthaben. Was stellte jetzt dieses Bankguthaben dar?

Ein Guthaben bedingt grundsätzlich auch das Vorhandensein einer Schuld. Das Bankguthaben eines Kunden stellt somit auch gleichzeitig die Schuld der Bank gegenüber dem Kunden dar.

Wenn ich bei jemandem ein Guthaben besitze, gleichgültig ob es sich um Geld, Mehl oder Arbeitsstunden handelt, ist mein Gegenüber mir Geld, Mehl oder Arbeitsstunden "schuldig". So verhält es sich auch bei dem Bankguthaben. Die Amsterdamer Wechselbank war die Lieferung von Gold- oder Silbermünzen schuldig.

Es kommt also auf den Standort bei der Betrachtung an, was die Zahl auf dem Kontoauszug bedeutet. Als Kunde der Bank stellt das Bankguthaben eine Forderung an die Bank dar. Andere, allgemein übliche Bezeichnungen sind Buchgeld oder Geschäftsbanken-Buchgeld[5], Giralgeld, Giroguthaben, Sichteinlagen[6]. Dieses Bankguthaben ist für den Bankkunden genau so ein Zahlungsmittel wie es auch sein Bargeld ist. Er kann dieses Zahlungsmittel auch beliebig bei der Bank in das jeweilig andere Zahlungsmittel umtauschen lassen. Sie sind gleichwertig, d. h. 1 € "Bargeld" ist genau so viel wert wie 1 € "Giralgeld".

Aus Sicht der Bank ist das Bankguthaben ihres Kunden jedoch ihre Schuld gegenüber dem Kunden. In den Bankbilanzen werden deshalb auch die Kundenguthaben als „täglich fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ aufgeführt. „Täglich fällig“ bedeutet dabei, dass der Bankkunde „sofort“ die Auszahlung seines Guthabens mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel, dem Bargeld, verlangen kann. Verbindlichkeit steht für „Schuld“. Somit handelt es sich um eine sofort fällige Schuld der Bank gegenüber dem Inhaber eines Bankguthabens.

Kredite

Bei der Kreditvergabe von Banken wird ein Schuldenpaar erzeugt. Der Kreditnehmer verschuldet sich im Kreditvertrag gegenüber der Bank und diese verschuldet sich im Gegenzug gegenüber dem Kreditkunden durch die Erhöhung der "täglich fälligen Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditkunden".

Wodurch sind jetzt die "Verbindlichkeiten gegenüber dem Kunden" gedeckt? Durch Forderungen der Bank auf ihrer Vermögensseite.

Die Schulden gegenüber den Kunden auf der Passivseite werden durch Vermögenswerte auf der Aktivseite gedeckt.[7]

Es wird offensichtlich, dass ohne klare Ebenenzuordnung es in einer Diskussion über „Geld“ und „Forderungen/Verbindlichkeiten“ zwangsläufig zu Missverständnissen kommen muss. In der Literatur wird überwiegend auf der „Ding-Geld-Ebene“ diskutiert, d.h. auf der Passivseite steht Geld, mit welchem Kredite auf der Aktivseite finanziert werden. Dies ist ein Trugschluss, der immer wieder zu Verwirrungen führt . Richtig ist:

Die Passivseite (Schuldenseite) der Bank finanziert keine Kredite oder sonstigen Vermögenswerte der Bank, sondern sie ist nur eine Auflistung, von wem die Bank finanzielle Mittel erhalten hat und folglich auch, wem sie etwas schuldet.

Wie werden aber jetzt mit Schulden der Bank Rechnungen bezahlt? Der Rechnungsempfänger besitzt ein Bankguthaben = eine täglich fällige Schuld der Bank. In Höhe des Rechnungsbetrages überträgt er einen Teil dieser Schuld an den Rechnungssteller und bezahlt damit seine Rechnung. Sein Bankguthaben wird geringer und das Bankguthaben des Rechnungsstellers wird größer. Da unsere heutigen Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen kann auch gesagt werden:

Die Bezahlung der Rechnung geschieht durch die Übertragung einer Forderung vom Rechnungsempfänger, in Höhe des Rechnungsbetrages, an den Rechnungssteller.


Bisher nicht erwähnt wurde ein wichtiger Unterschied zwischen dem Schuldversprechen des Kreditnehmers gegenüber der Bank und dem Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer. Auch wenn die Betragshöhe beider Versprechen gleich ist, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in den zugrunde liegenden Fristen. Während das Schuldversprechen des Kreditnehmers die Rückzahlung des Kredites nach z. B. 1 Jahr vorsieht, ist das Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer sofort fällig. In den Artikeln Fristenspekulation und Bodensatztheorie, welche eng miteinander verwoben sind, wird auf diese Thematik näher eingegangen.

Fazit

Die eingangs gestellte Frage nach der Bedeutung der Zahl auf dem Kontoauszug kann nun beantwortet werden

  • Die Zahl auf dem Kontoauszug stellt für den Bankkunden die Höhe seines Kontoguthabens und damit seinen Bestand an Giralgeld dar.
  • Das Bankguthaben bedeutet gleichzeitig, dass die Bank eine Schuld gegenüber dem Kunden hat. Somit besitzt dieser eine Forderung an die Bank.
  • Für die Bank stellt das Bankguthaben keinesfalls einen Vermögenswert dar, sondern eine Schuld gegenüber dem Kunden. In der Bilanz des Kunden ist es hingegen ein Vermögenswert.
  • Das Bankguthaben stellt auch einen Kredit des Kunden an die Bank dar. Das Guthabenkonto beinhaltet noch nicht erfüllte Forderungen an die Bank, somit hat die Bank einen Kredit erhalten. Die Banken bezeichnen ihre Gläubiger auch entsprechend als Kreditoren und ihre Schuldner als Debitoren.
  • Aus juristischer Sicht verkörpert das Bankguthaben Rechte gegenüber der Bank, hier ein unverbrieftes Forderungsrecht.

Somit sind sämtliche aufgeführten Bedeutungen zutreffend, je nach Standort des Beobachters.

Bei Untersuchungen des Geldsystems ist zu fragen, ob das vereinfachte Modell der "Ding-Geld-Ebene" mit dem Geld als Sachgut ausreichend ist. Tiefergehende Betrachtungen auch der internen Vorgänge in den Banken benötigen zwingend das Modell der "Schuld-Geld-Ebene", in welchem Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. In Argumentationen darf nun die Begriffsebene nicht beliebig gewechselt werden, sondern man muss konsequent auf der angefangenen Ebene bleiben, will man Fehlschlüsse, wie anfangs erwähnt, vermeiden.



Einzelnachweise

  1. Georg Friedrich Knapp stellt in seinem Werk „Staatliche Theorie des Geldes", (S.144) noch fest, dass Bankguthaben kein Geld darstellen.
  2. Scheidemünzen sind im Gegensatz zu werthaltigen Gold- und Silbermünzen aus minderwertigen Materialien hergestellt. Ihr Wert wird nicht durch das in ihnen enthaltene Metall bestimmt sondern durch die staatliche Festlegung, das es sich bei den Münzen um gesetzliche Zahlungsmittel handelt. Sieh auch Geldarten.
  3. Aus Schule und Bildung für die Sekundarstufe I, Original Abruf 24.06.2017, Seite nicht mehr abrufbar 09.10.2019.
  4. Aus Geld und Geldplitik, ein Schülerbuch der Deutschen Bundesbank für die Sekundarstufe II.

    Das Finanzsystem umfasst die Finanzintermediäre ( insbesondere Banken ), die Finanzmärkte und die finanzielle Infrastruktur. Aufgabe des Finanzsystems ist es, die Anbieter von Kapital mit den Nachfragern nach Kapital zusammenzubringen und dessen Austausch zu erleichtern. Das Banken- und Finanzsystem. (Seite 130)

    4.1 Funktionen des Banken- und Finanzsystems Kaum jemand – ob Einzelperson, Unternehmen oder öffentlicher Haushalt – wird jederzeit exakt genauso viel Geld einnehmen wie ausgeben. Jeder baut also ständig Geldvermögen auf oder ab. Wer überschüssiges Geld hat, kann dieses gewinnbringend anlegen und wird so zum Anbieter von finanziellen Mitteln. Gleichzeitig gibt es Unternehmen, die investieren, indem sie beispielsweise Maschinen kaufen, und Privatpersonen, die große Anschaffungen finanzieren wollen. Sie benötigen häufig mehr Geld als sie besitzen. Indem sie zusätzliches Geld aufnehmen, werden sie zu Nachfragern von finanziellen Mitteln. Die Aufgabe des Finanzsystems besteht darin, das Weiterleiten finanzieller Mittel von Anbietern zu Nachfragern zu erleichtern. (Seite 88)

    Geld und Geldpolitik Abruf 09.10.2019.}}

  5. Zur Unterscheidung von den "Reserven", dem Buchgeld der Zentralbank die aussagekräftigeren Formulierungen "Geschäftsbanken-Buchgeld" und "Zentralbank-Buchgeld".
  6. Der Begriff Sichteinlagen stammt aus der "Ding-Geld-Ebene" und lässt vermuten, dass etwas bei der Bank "eingelegt" wird. Dem ist jedoch nicht so. Die Sichteinlage repräsentiert nur eine Schuld der Bank.
  7. Auf der Passivseite der Bilanz werden die Schulden aufgeführt und auf der Aktivseite die Vermögenswerte