Martin Scheytt: Widerspruchsfrei?

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Eberhard Knöller aus Bern möchte in seiner Arbeit "Buchgeldschöpfung durch Kreditketten" aus dem Jahr 1995/2000[1] die Widersprüche zwischen den verschiedenen Buchgeld- Schöpfungstheorien auflösen und verwendet als Grundlage die Dissertation von Martin Scheytt über „Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung"

Festsetzungen

Knöller legt seiner Arbeit nachstehende Festsetzungen zugrunde:

  • „Buchgeld“ sind Guthaben auf Girokonten, auch „Sichtguthaben“ oder „Giralgeld“ genannt.
  • Buchgeld ist Geld, weil es als Zahlungsmittel verwendet werden kann.
  • Buchgeldschöpfung bedeutet den Vorgang des Entstehens von Buchgeld.
  • Bargeld und Buchgeld sind Belege für Kaufrechte.
  • Aufgrund von Geldschöpfung und -vernichtung darf sich die Menge der vorhandenen Kaufrechte nicht ändern.
  • „Geldmenge“ ist die Summe von Bargeld und Buchgeld.
  • Wenn im Folgenden von „Banken“ die Rede ist, sind immer Geschäftsbanken gemeint, nicht Zentralbanken. Die Geldschöpfung von Zentralbanken ist nicht Thema dieses Aufsatzes.

Die "Festsetzungen" beinhalten große Lücken, auf welche vor einer weiteren Betrachtung seiner Arbeit erst eingegangen werden muss. Mit der Forderung: "Aufgrund von Geldschöpfung und -vernichtung darf sich die Menge der vorhandenen Kaufrechte nicht ändern." stellt er seine vorherigen Festlegungen in Frage. Wie kann man von Geldschöpfung sprechen, wenn sich die Summe der kaufkraftwirksamen Zahlungsmittel nicht ändern darf?

Die Aussage:"„Geldmenge“ ist die Summe von Bargeld und Buchgeld." lässt vermuten, dass er keine Unterscheidung zwischen dem Bargeld in den Händen der Nichtbanken und dem Bargeld in den Kassen der Banken trifft. Das Bargeld in den Kassen der Banken stellt jedoch kein kaufkraftwirksames Zahlungsmittel dar oder, wie er es ausdrückt, ist kein Beleg für Kaufrechte.

Zwei unbefriedigende Theorien

Zur Lösung der Frage Buchgeldschöpfung ist es nötig, den Wahrheitsgehalt der beiden bisher hauptsächlich diskutierten, einander extrem gegenüberstehenden Theorien zu verschmelzen. Scheidt nennt sie in seiner Dissertation die „orthodoxe" und die „moderne" Theorie. Er definiert:

  • Orthodoxe Theorie: „Nach der orthodoxen Auffassung entsteht jedes Bankguthaben durch eine Bargeldeinzahlung. Mit dem Bargeld erteilen die Banken Kredite. Die Bargeldeinzahlung ist die Grundlage, der Kredit die Folge. Die Banken sind Vermittler von Kredit. Sie können nicht mehr vermitteln, als sie empfangen haben."
  • Moderne Theorie: „Für die moderne Kredittheorie ist demgegenüber der Kredit die Grundlage, die Einlage ist Folge. Die Bank schöpft sich die Mittel zu Krediten aus dem Nichts."

Keine der beiden Theorien kann alle Erscheinungen der Buchgeldschöpfung befriedigend erklären.

Die orthodoxe gibt keine Erklärung dafür, woher die große Menge von Buchgeld kommt, welche die Menge des Bargeldes weit übersteigt.

In diese Lücke springt zwar die moderne Theorie, doch ist diese nicht in der Lage, eine Begründung für das Fehlen von großen Zinsgewinnen der Banken anzugeben und aufzuzeigen, warum die Banken mit ihrer Geldschöpfung Bankpleiten nicht verhindern können.

Der Grundsatz der orthodoxen Theorie "Eine Bank kann nicht mehr Kredit geben, als sie selbst erhalten hat." führte bereits 1920 Phillips zu der Annahme, "Jede Einlage, jedes Bankguthaben entsteht durch eine Geldeinzahlung". Bei der damaligen Gold- oder Goldkernwährung ein naheliegender Ansatz. Phillips erkannte nicht, dass nach der orthodoxen Theorie das Sparguthaben die Voraussetzung zur Erteilung eines Kredites ist und nicht die Bargeldeinzahlung.

Auch ohne Bargeldeinzahlung kann ein Sparguthaben entstehen. Wird in ein privates Kreditverhältnis eine Bank mit eingeschaltet, so kann sowohl ein Kredit wie auch ein Sparguthaben entstehen, ohne dass Bargeld benötigt wird.

Hierzu nochmals das Beispiel aus den Grundlagen:
Kredit01.png

Anton verkauft eine Produktionsmaschiene zum Preis von 100.000 € an Beno. Da Beno nicht sofort zahlen kann, gewährt Anton einen Zahlungsaufschub von 6 Monaten. Beide können in ihre Geschäftsbeziehung eine Bank mit einschalten. Beno erhält einen Kredit über 100.000 € und Anton ein entsprechendes Guthaben mit 6-monatiger Sperrfrist. Anton hat der Bank also 100.000 € für 6 Monate geliehen. Es ist kein einziger EURO Bargeld für den Kredit erforderlich gewesen. Nach 6 Monaten zahlt Beno 100.000 € an die Bank und diese leitet das Geld an Anton weiter.


Grenzen der Kreditgeldschöpfung

Der modernen Kreditschöpfungs-Theorie sind in der Praxis viele Grenzen gesetzt, sodass von einer unendlich großen Geldschöpfungsmöglichkeit der Geschäftsbanken nicht gesprochen werden kann. Es sind dies:

  • Forderung einer Mindestreserve durch die EZB
  • Kassenbestand zur Aufrechterhaltung des baren Zahlungsverkehrs
  • Überschussreserven zur Durchführung von Überweisungen
  • Anforderungen an das Eigenkapital der Bank gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 10 Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen [2]
  • Anforderungen an die Liquidität der Banken gemäß KWG (Kreditwesengesetz KWG) § 11 Liquidität [3]
  • Genügend verschuldungsbereite Kreditnehmer (Schuldner) müssen gefunden werden
  • Vertrauen in die Zahlungsfähigkeit des Kreditnehmers muss vorhanden sein oder
  • der Kreditnehmer muss beleihungsfähige Sicherheiten bieten, d.h. Eigentum muss vorhanden sein und der Kreditnehmer muss bereit sein dieses zu verpfänden
  • Um sich für Kredit-Auszahlungen Bargeld bei der Zentralbank zu beschaffen, benötigt die Bank „notenbankfähige Sicherheiten“

Diese Abhängigkeiten werden von Knöller jedoch weitgehend ignoriert.

Der Ablauf der Buchgeldschöpfung

Zur Verdeutlichung der Geldvermehrung durch Buchgeldschöpfung stellt Knöller die Vorgänge im Bankenverkehr wie folgt dar (Texte teilweise gekürzt).[1]

  1. Kunde A zahlt einen Betrag auf sein Girokonto ein. Er verfügt nun nicht mehr über Bargeld sondern über einen Buchgeldbetrag in gleicher Höhe. Die kaufkraftfähige Geldmenge hat sich nicht verändert, eine Bilanzverlängerung hat stattgefunden.
  2. Die Bank gewährt einem Kunden B einen Kredit über neun Zehntel des eingezahlten Bargeldbetrags und zahlt diesen bar oder durch Überweisung aus. Eine Bilanzverlängerung hat nicht stattgefunden.
  3. Bankkunde A kann weiterhin beliebig über sein Giroguthaben verfügen und Kunde B mit dem erhaltenen Bargeld ebenfalls Einkäufe tätigen. Die kaufkraftfähige Geldmenge, bestehend aus Buchgeld und dem Bargeld im Besitz von Nichtbanken, wurde vermehrt.
  4. "Das über den Kredit wieder ausgegebene Bargeld kann ein weiteres Mal und von einem neuen Besitzer auf ein Girokonto eingezahlt werden, entweder auf sein eigenes oder auf dasjenige eines andern. Mit dieser Einzahlung wiederholt sich das Spiel ab Schritt 1. Neues Buchgeld kann geschaffen werden, die Geldmenge erneut vergrößert, jedesmal um neun Zehntel der Einzahlung. Dies führt nach vielen Wiederholungen zu einer Buchgeldmenge, die das Neunfache der eingezahlten Bargeldmenge ausmacht."
  5. "Die Wiederholung der Schritte 1 bis 3 wird unterbrochen, wenn einer der Bareinzahler sich ein Giroguthaben wieder bar auszahlen lässt. Dann findet Buchgeldvernichtung statt."


Knöller beschreibt hier eine Geldschöpfung, welche der modernen Kredittheorie zuzuordnen ist. Es werden kaufkraftfähige Zahlungsmittel geschaffen, ohne dass hierzu zusätzliche Spareinlagen erforderlich wären. Als verbindendes Glied zur orthodoxen Theorie sieht er die Kreditketten an. Diese erweisen sich jedoch als vollkommen überflüssig und verwirren nur.

Beispiele

Hierzu nebenstehende Abbildung
Abbildung 5, Tabelle mit Einzel- und Gesamtwerten
aus einem Nachweis zu Phillips "multipler Geldschöpfung". In Dieser Tabelle wird von einer Barreserve von 10 % ausgegangen, d.h. es darf von einem vorhandenen Kassenüberschuss nur maximal 90 % als Kredit ausgereicht werden.

Nach einer Bareinlage des Kunden K1 von $1.000 kann Bank A ein Darlehen an den Kunden K2 über $900 gewähren. $100 = 10% aus der Einlage über $1.000 verbleiben bei Bank A als Kassenreserve. Der Betrag von $900 wird von K2 abgehoben und an K3 für den Erhalt einer Ware oder Leistung gezahlt. K3 zahlt die $900 bei Bank B ein und bildet damit bei Bank B eine entsprechende Überschussreserve. Bank B kann nun an den Kunden K4 ein Darlehen über $810 erteilen. Aus der ursprünglichen Bargeldmenge von $1.000 können nach unendlich vielen Wechseln von Bargeldeinzahlungen, Darlehenserteilung mit Kassenreserve, Abhebung der Darlehenssumme und Weiterleitung an einen anderen Kunden, Darlehen in Höhe von insgesamt $9.000 erzeugt werden. Der, bei den einzelnen Banken verbleibende Rest an Bargeld, wird in der Spalte "Kassenreserve" aufgeführt. Die Summe entspricht dem ursprünglich bei Bank A eingezahlten Bargeldbetrag.

Wichtige, jedoch von Phillips nicht weiter beachtete Werte, enthält die Spalte "Primäreinlage (p)". Es handelt sich dabei nicht um jederzeit fällige Einlagen, nach heutigem Sprachgebrauch Sichteinlagen, sondern um längerfristig hinterlegte Einlagen, also Termin- und Spareinlagen. Im gesamten Bankensystem sind somit $1.000 Bargeld vorhanden, $10.000 Spareinlagen und $9.000 Kredite.


Weshalb aber die komplizierten
Abbildung 7, Die Entstehung eines Darlehens ohne mehrfache Bargeldeinzahlungen
mehrfachen Bargeld-/Kreditwechsel?
Ein Beispiel mit nur einer Bank. Kunde K1 hat die obligatorische Bareinlage von $1.000 getätigt. Kunde K12 nimmt bei der Bank A ein Darlehen über $9.000 auf und muss dieses nach 6 Monaten zurückzahlen. Die beim Kredit entstehende Einlage überweist er an den Kunden K11. Kunde K11 verpflichtet sich, dieses Guthaben für die nächsten 6 Monaten nicht in Anspruch zu nehmen. Er hat jetzt der Bank ein Darlehen gewährt. Ein Blick auf die Bilanzsummen der Abbildung 7 zeigt, dass kein Unterschied zu der Konstruktion mit vielfachen Bargeld-/Darlehenswechsel im Bankensystem gemäß der Tabelle in Abbildung 5 besteht.


Nicht die Anzahl oder Höhe der Bargeld-/Darlehenswechsel ist maßgebend für die Entstehung eines Darlehens, sondern die Bereitschaft eines Kunden, auf die Nutzung seines „Geldes“, oder besser gesagt seiner Forderung in gleicher Höhe, für die Darlehenszeit zu verzichten.

Die Bargeldeinzahlung von $1.000 hat nur eine Daseinsberechtigung, die Erfüllung der Forderung nach einem Verhältnis von Barreserve zu Einlage von 1 zu 10. Die dargestellten unendlich vielen Bargeld-/Darlehenswechsel sind reine Pseudovorgänge und beinhalten keinen Erkenntnisgewinn. Sie verwirren nur unnötig.

Kern der Theorien

Ohne das unnötige Beiwerk von "multipler Geldschöpfung, Kreditsequenzen oder Kreditketten" gelangt man auch schnell an den tatsächlichen Kern der Theorien. Auch gemäß der orthodoxen Theorie kann die Summe der Spareinlagen und Kredite erheblich über der Summe des Kassenbestandes einer Bank liegen. Maßgebend ist lediglich, dass die Summe der Spareinlagen mindestens so hoch ist wie die Summe der Kredite, bei gleicher Fristigkeit von Spareinlagen und Krediten. Die Bank tritt als "Kreditvermittler" auf. Es werden längerfristige Bankguthaben geschaffen, jedoch keine kaufkraftwirksamen Zahlungsmittel.

Wird hingegen auf Sichteinlagen hin ein Kredit gewährt, so wird eindeutig neues Buchgeld geschaffen. Sichteinlagen sind kaufkraftfähige Zahlungsmittel. Eine Kreditgewährung auf Sichteinlagen besitzt also keine Deckung durch Spareinlagen. Das mit dem Kredit geschaffene Buchgeld kann neben der ursprünglichen Sichteinlage als kaufkraftwirksames Zahlungsmittel in der Wirtschaft zirkulieren. Von der Bank wurde durch "Kreditschöpfung" Geld geschaffen.

Bei seinen weiteren Ausführungen bezieht Knöller sich auf die Funktion der Kreditketten und betont z.B. "Bei der Buchgeldschöpfung durch Kreditketten grundlegend entscheidend ist das wiederholte Wechseln der Art des Zahlungsmittels." Wie zuvor bereits erwähnt sind die Kreditketten jedoch vollkommen überflüssig für das Verstehen der Kreditschöpfung/Kreditvermittlung, sodass eine weitere Betrachtung seiner auf Kreditketten aufbauenden Erkenntnisse unnötig erscheint.

Offensichtlich erkennen weder Phillips noch Scheytt oder Knöller die Tragweite der erforderlichen Unterscheidung zwischen Sichteinlagen und Spareinlagen. Wird im Zuge der Kreditvergabe ein Sparguthaben angelegt, so verzichtet der Sparer für die Anlagezeit auf sein Geld, genauer gesagt auf die Ausübung seiner Forderung gegen die Bank. Dieses Forderungsrecht besitzt für die Laufzeit des Kredits der Kreditnehmer. Sichteinlagen können im Einzelfall nicht zur Deckung eines Kredits herangezogen werden, da sie ja täglich abgehoben werden können. Eine Kreditgewährung auf Grundlage einer einzelnen Sichteinlage, stellt in jedem Fall eine Kreditschöpfung bzw. Geldschöpfung dar, da ja zusätzlich kaufkraftwirksames Buchgeld geschaffen wurde.


Auflösung des Widerspruchs?

Nach Knöller ist Scheytts Kreditkettentheorie in der Lage, die bisherigen widersprüchlichen Theorien durch ein "widerspruchsfreies Ganzes" zu ersetzen. Wenn die Problempunkte erst gar nicht erkannt werden, kann man auch keinen Widerspruch erkennen und auflösen. Scheytts und Knöllers Arbeiten tragen insofern nicht zu einer Aufklärung bei. Für Laien stiften sie nur zusätzliche Verwirrung.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Buchgeldschöpfung durch Kreditkestten, Eberhard Knöller, Bern 1995/2000
  2. Kreditwesengesetz, § 10 Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen und Finanzholding-Gruppen
  3. Kreditwesengesetz, § 11 Liquidität