Helmut Creutz: Orthodoxe Kredittheorie

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Helmut Creutz vertritt in seinen Auffassungen zu unserem Geldsystem einige, dem heutigen Stand der Wirtschaftswissenschaft widersprechende, Standpunkte.

  • Giralgeld ist kein Geld!
  • Eine Giralgeldschöpfung der Geschäftsbanken existiert nicht!
  • Sichtguthaben entstehen ausschließlich durch eine Bargeldeinzahlung!
  • Eine Bank kann nicht mehr Kredit geben, als sie selbst erhalten hat!
  • Verleihen kann man immer nur etwas, was bereits vorhanden ist!

Diese Argumente ordnen seine Ausführungen der sogenannten "orthodoxen Kredittheorie" zu.

Über zusammengefasste Bilanzen der Bundesbank glaubt Creutz nachweisen zu können, dass seine Theorie zutreffend sei. Zum Thema Bilanzen existieren nun Widerlegungsversuche[1] welche indes, aufgrund der komplexen Materie, recht schwierig nachzuvollziehen sind.
Deshalb nachfolgend ein Versuch, die Creutzsche Geldtheorie in ihren Grundzügen, anhand seiner Publikationen, aufzuzeigen. Auf die Verwendung von Bilanzzahlen wird bei diesem Versuch weitgehend verzichtet.


Bargeld

Helmut Creutz vertritt in seinem Buch „Das Geldsyndrom“[2] die Auffassung, dass nur Bargeld als Geld bezeichnet werden sollte, da nur Bargeld als "gesetzliches Zahlungsmittel" definiert sei.

Selbst bei den für Zahlungszwecke genutzten Sichtguthaben ist die heute übliche Bezeichnung >Giralgeld< so lange fragwürdig, wie diese Guthabenbestände nicht dem Bargeld rechtlich und funktional gleichgestellt sind.“ (Seite 35)

Eine nachvollziehbare Sichtweise, welche jedoch der allgemein üblichen Auffassung von Geld widerspricht. Giralgeld der Geschäftsbanken wird wie Bargeld in der Wirtschaft verwendet. Es ist „kein“ gesetzliches Zahlungsmittel sondern nur ein Versprechen der Geschäftsbank, dieses in Bargeld umzutauschen. Da der Staat aber dieses Buchgeld zur Zahlung von Steuern akzeptiert, ja sogar eine direkte Barzahlung mittlerweile ablehnt,[3][4] ist auch das Buchgeld der Geschäftsbanken dem Bargeld faktisch gleichgestellt. [5]

Aus der Äußerung, dass nur Bargeld Geld sei, wird auch seine weitere Überlegung verständlich.

Verleihen kann man immer nur etwas, was bereits da ist. Das gilt für das Verleihen eines Fahrrades oder eines Paketes Salz genauso wie für das Verleihen von Geld. Das heißt: Geld entsteht nicht mit dem Kredit, wie viele immer noch vermuten, sondern es muss vorher bereits da sein, gleichgültig ob die Bank es von einem Kunden oder der Notenbank erhalten hat.“ (Seite 63)

Dieser Tunnelblick auf das Bargeld als Ursprung jedweden Geldvorgangs versperrt ihm leider auch eine ernsthafte Untersuchung anderer Sichtweisen.

Goldene Bankregel

Geld wird als etwas Gegenständliches aufgefasst. Man muss es wie ein Stück Brot in die Hand nehmen können. Damit muss es auch erst vorhanden sein, bevor man es verleihen kann.

Damit reiht Creutz sich in die Garde der orthodoxen Kredittheoretiker ein.

“Eine Bank kann nicht mehr Kredit geben, als sie selbst empfangen hat.“[6]

Eine Bank empfängt Kredit, wenn der Kunde bei ihr Spargeld anlegt. Der Kunde gibt der Bank einen Kredit, indem er ihr Bargeld für einen bestimmten Zeitraum anvertraut. Daraufhin kann die Bank einem anderen Kunden einen Kredit gewähren und auch auszahlen, aber nicht mehr, als sie an Bargeld vorher eingesammelt hat.

Diese stark einschränkende Art der Kreditgewährung wurde 1854 erstmals von Otto Hübner in einer Regel zusammengefasst.

Der Credit, welchen eine Bank geben kann, ohne Gefahr zu laufen, ihre Verbindlichkeiten nicht erfüllen zu können, muß nicht nur im Betrage, sondern auch in der Qualität dem Credite entsprechen, welchen sie genießt.
.... Die Bank kann, wenn sie auf drei Monate Gelder deponiert erhält, ohne Gefahr dieselben nicht auf sechs Monate ausborgen.

Diese Regel wird seither auch als „goldene Bankregel“ bezeichnet. In der Literatur wird jedoch auch gleichzeitig vermerkt, dass diese Regel noch nie von einer Bank eingehalten wurde. Selbst Hübner schränkt im Vorwort zu seinem Werk die Anwendung seiner strengen Grundsätze auf die "privilegierten Institute" ein, während Privatbanken ausdrücklich hiervon ausgenommen seien.

Sichtguthaben

„So kann die Menge des Brotes nur durch Arbeitsleistungen der Bürger vermehrt werden und die Menge übertragbarer Guthaben nur durch Bargeldeinzahlungen bei der Bank.“ (Seite 37)

Das Bargeld wird bei der Bank eingezahlt. An die Stelle des Bargeldes tritt jetzt das Sichtguthaben auf dem Girokonto. Die Zahlungsmittelart ist gewechselt worden. In der Wirtschaft existiert also nur Bargeld oder, das durch die Bargeldeinzahlung entstandene Sichtguthaben.

Um diese Aussagen besser zuordnen zu können, einige grundlegende Gedanken zum Verhältnis von Bargeld zu Buchgeld.

Als Beispiel nehmen wir im Fall 1 an,
Umwandlung von Bargeld in Buchgeld
dass außerhalb des Bankensystems, bei den Kunden, 1 Million € an Bargeld vorhanden ist, im Bankensystem jedoch kein Bargeld existiert. Die Kunden können untereinander mit Bargeld kaufen und verkaufen, die Bank selbst besitzt jedoch weder Bargeld noch Buchgeld.

Im 2. Fall, genauso extrem dargestellt wie Fall 1, haben die Kunden sämtliches Bargeld zur Bank gebracht. Die Bank besitzt nun 1 Million € Bargeld und hat den Kunden gegenüber Verbindlichkeiten in Höhe von ebenfalls 1 Million €. Diese Verbindlichkeiten sind Buchgeld. Für den Kunden sind sie Guthaben bei der Bank. Durch die Bareinzahlung hat ein Wechsel der Zahlungsmittelart stattgefunden, von Bargeld in Buchgeld.

Wie in einem System ohne Bargeld können die Kunden im 2. Fall ihre Geschäfte jetzt mit Buchgeld abwickeln. Das Buchgeld ist 1:1 an die Stelle des Bargeldes getreten. Die Geldmenge bei den Kunden ist nach wie vor auf 1 Million € beschränkt. Dieses System ist direkt vergleichbar mit den Depositen- und Girobanken in der Frühzeit unseres Bankensystems. Die Geschäftstätigkeit der Bank war auf die reine Kontenverwaltung der Kunden beschränkt. Kredite wurden nicht vergeben. Es konnten keine Zahlungsprobleme bei der Bank entstehen, da für jeden Buchgeld-Gulden auch ein echter Goldgulden im Tresor lag.

Guthaben und Schuld

Auch ohne die Einschaltung einer Bank können Geldguthaben und Geldschulden entstehen.

„Leiht jemand einem anderen 1000 DM, so hat er dieses Geld nicht mehr. Stattdessen hat er einen Anspruch auf Rückerhalt der 1000 Mark, ein Geldguthaben also, und der Geldleiher hat in gleicher Höhe eine Schuld.“ (Seite 53)

Der Leihvorgang beinhaltet jedoch auch eine Zeitspanne für die Ausleihung und diese sollte mit aufgeführt werden, damit auch eine klare Trennung zwischen Sichtguthaben und Sparguthaben erkennbar wird. Werden die 1000 DM für 6 Monate verliehen, so verzichtet der Verleiher in diesen 6 Monaten auf die Nutzung seiner 1000 DM. Er hat die 1000 DM Bargeld für 6 Monate in eine Spareinlage umgewandelt. Kaufkraftwirksam in der Wirtschaft sind jeweils nur die einmal vorhandenen 1000 DM Bargeld. Es sind zusätzlich Guthaben und Schulden entstanden, jedoch kein zusätzliches Geld oder Zahlungsmittel.

„Durch Verleihvorgänge verändert sich also weder etwas an der Geldmenge noch an den Nachfragemöglichkeiten in der Wirtschaft. ………."
"Zwei Nachbarn haben ein Monatseinkommen von je 3 000 Dollar und der eine leiht dem anderen davon regelmäßig 1 000 Dollar. Nach einem Jahr beträgt dann das Geldguthaben des Verleihers 12 000 und nach zehn Jahren 120 000 Dollar. Entsprechend sind auch die Rückgabeverpflichtungen des Nachbarn, also seine Schulden auf 120 000 Dollar gestiegen.“ (Seite 54)

Ohne Bargeld

In seinen Beispielen muss immer wieder Bargeld den Besitzer wechseln. Es geht jedoch auch ohne Bargeld. Anton hat ein Ladenlokal an Benno vermietet. Die Miete beträgt 1 000 € pro Monat. Anton stundet ihm die Miete in den ersten 10 Jahren. Nach einem Jahr beträgt Antons Geldguthaben 12 000 € und nach zehn Jahren 120 000 €. Bennos Schulden sind nach zehn Jahren ebenfalls auf 120 000 € angestiegen. Bargeld war hier nicht beteiligt.

Ohne stetige Aktionen

Auch muss zur Entstehung von Schulden kein fortwährender Besitzwechsel von Bargeld, oder wie im letzten Beispiel, von stetigen Mietstundungen erfolgen.

Anton, ein Hersteller von Landmaschinen, verkauft Benno eine Erntemaschine zum Preis von 100.000 €. Benno kann aber erst nach der Erntezeit zahlen. Anton gewährt Benno deshalb einen Zahlungsaufschub von 6 Monaten. Dieser Aufschub ist nichts anderes als ein Kredit. Anton hat einen Anspruch auf die Zahlung von 100.000 € nach 6 Monaten und Benno eine Schuld in dieser Höhe, ebenfalls zahlbar nach den 6 Monaten.

Einschaltung der Bank

In sämtliche vorgenannten Beispiele kann
Kredit02.png
nun auch eine Bank mit eingeschaltet werden. Nehmen wir das letzte Beispiel. In die direkte Geschäftsbeziehung zwischen Anton und Benno wird als dritter Partner die Bank mit eingeschaltet. Sie ist gleichzeitig neuer Schuldner für Anton und neuer Gläubiger für Benno.

Die Bank vereinfacht als "Kreditvermittler" die Abwicklung von Kreditgewährung und Zahlung. Sie prüft die Kreditwürdigkeit Bennos und gewährt diesem einen Kredit. Die Bank wird Anton nach 6 Monaten den Kaufpreis auf sein Girokonto überweisen oder den Betrag bar auszahlen. Von Benno erhält sie ebenfalls zum Ablauf der 6 Monate den Kredit zurückerstattet. Dieser Vorgang beschreibt eine 1:1 Übertragung des privaten Kreditverhältnisses auf die Bank. Da Anton 6 Monate auf die Vergütung seiner Warenlieferung wartet, hat er jetzt der Bank und nicht mehr Benno einen Kredit gewährt. Antons Anspruch kann auch als Sparguthaben betrachtet werden, da er erst nach 6 Monaten darüber verfügen kann.


Eingebettet in die orthodoxe Kredittheorie lassen sich Creutz' Aussagen wie folgt zusammenfassen:

  • Sichtguthaben kann nur durch die Einzahlung von Bargeld entstehen.
  • Guthaben und Schulden können auch durch Bargeldzahlungen entstehen, diese sind aber nicht zwingend erforderlich.
  • Zur Gewährung eines Kredites ist jedoch unbedingt ein Sparguthaben erforderlich, da die Bank nicht mehr Kredit geben kann als sie empfangen hat.
  • Eine deutliche Unterscheidung zwischen Giroguthaben und Sparguthaben ist dringend notwendig, da nur Giroguthaben kaufkraftwirksam sind. Sparguthaben sind es nicht, da der Sparer für die Zeitspanne des Sparens auf die Inanspruchnahme der Kaufkraft verzichtet.
  • Beim Einzahlen von Bargeld bei einer Bank wird die Zahlungsmittelart gewechselt, von Bargeld in eine „täglich fällige Forderung gegen die Bank auf Auszahlung in unbeschränkt gesetzlichem Zahlungsmittel“, in der Umgangssprache Giralgeld oder auch Buchgeld genannt. Dieses Zahlungsmittel ist dem Bargeld faktisch gleichgestellt und kann wie dieses zu Zahlungen benutzt werden.
  • Weder Bargeld noch Giralgeld kann in diesem System von den Geschäftsbanken geschöpft werden.

Einzelnachweise

  1. Ernst Dorfner, Was uns Bankbilanzen lehren
  2. Helmut Creutz: Das Geldsyndrom. 5 Auflage. Econ, 2003, ISBN 3 928493 46 9.
  3. Abgabenverordnung, § 224 Leistungsort, Tag der Zahlung, Zahlungen an Finanzbehörden
  4. Frage: Kann ich im Finanzamt meine Steuern bar bezahlen?
  5. Beitrag Geldarten
  6. Kredittheorien, Martin Scheytt