Das Geldrätsel: Kreditwesengesetz

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Die Geschäftsbanken sind, wie auch die meisten anderen Unternehmen in der Marktwirtschaft, in erster Linie an einem Gewinn ihres Unternehmens interessiert. Hierzu müssen die vorhandenen Mittel möglichst rentabel eingesetzt werden. Dem Bemühen nach einem hohen Gewinn stehen meist zwei Forderungen entgegen und zwar,[1]

  • die Gewährleistung einer hohen Sicherheit für die Einlagen der Kunden und die
  • Gewähr für die Zahlungsfähigkeit (Liquidität) der Bank.

Das Liquiditätsproblem der Bank ist kein statisches sondern ein dynamischen Problem. Wenn eine Bank gemäß der Bankbilanz ihren Verpflichtungen heute nachkommen kann, sagt dies noch nichts darüber aus, ob sie dies auch morgen noch kann. Folglich sind Bankbilanzen nur bedingt zur Beurteilung der dauerhaften Liquidität einer Bank geeignet.

Den oben genannten Forderungen, unter Berücksichtigung der Dynamik von Forderungen und Verbindlichkeiten, versucht das Kreditwesengesetz[2][3]gerecht zu werden.


Sicherheit

Mit angemessenen Eigenmitteln soll die Sicherheit der Einlagen gewährleistet sein. Die Angemessenheit beschreibt die Solvabilitätsverordnung[4], welche nach § 10 des Kreditwesengesetzes bzw. Basel II, von den Banken einzuhalten ist. Kredite müssen mit 8 % Eigenkapital unterlegt werden, unter Berücksichtigung von Gewichtungsfaktoren. Je nach Bonität des Kreditnehmers kommt eine Risikogewichtung zwischen 20 % und 150 % zum Tragen. Dies bedeutet, dass jeder Kredit selbst zwischen 1,6 % und 12 % hinterlegt sein muss, errechnet aus den 8 % mit der jeweiligen Risikogewichtung[5].

Rating externer

Ratingagenturen

AAA bis

AA-

A+ bis

A-

BB+ bis

BB-

Unter

BB-

ohne

Rating

Risikogewichtung 20 % 50 % 100 % 150 % 100 %
Eigenkapitalunterlegung 1,6 % 4,0 % 8,0 % 12,0 % 8,0 %


Liquidität

Die Anforderungen an die Zahlungsfähigkeit einer Bank sind in der Liquiditätsverordnung (LiqV)[6] festgehalten. Diese Verordnung geht von dem Gebot aus, dass die Bank jederzeit über die Mittel verfügen muss, um ihren kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen auch nachzukommen.[7] Sie muss zahlungsfähig bleiben. Die Bank verfügt dann über ausreichend Liquidität, wenn sie innerhalb eines Monats mehr Zahlungsmittel zur Verfügung hat, als in dieser Zeit durch Auszahlungen abfließen. Von der Bank ist jeweils im Voraus die Liquiditätskennzahl für den Folgemonat zu ermitteln und der Bundesanstalt für Finanzen zur Verfügung zu stellen.

Zahlungsfaehigkeit.png

Der Wert muss gleich oder größer 1 sein, um die Forderung nach ausreichender Liquidität zu erfüllen. Neben der Berechnung für den Folgemonat verlangt die Bundesanstalt für Finanzen zusätzlich nachrichtlich noch die Werte für die nächsten 3, 6 und 12 Monate.

Zahlungsmittel

Die jederzeit verfügbaren Zahlungsmittel setzen sich aus verschiedenen Positionen zusammen. Die für den Folgemont (Laufzeitband 1 der Verordnung) maßgeblichen Mittel sind in der nebenstehenden Tabelle aufgeführt.

Zahlungsmittel, Laufzeitband 1
ohne Beachtung von Laufzeiten entsprechend der Restlaufzeiten
Kassenbestand, Forderungen an Zentralbanken,
Guthaben bei Zentralbanken, Forderungen an andere Kreditinstitute,
Inkassopapiere, Forderungen an Kunden,
erhaltene Kreditzusagen anderer Kreditinstitute, u.a.
börsennotierte Wertpapiere,
zentralbankfähige Vermögensgegenstände,
gedeckte Schuldverschreibungen,
u.a.


Zahlungsverpflichtungen

Bei der Ermittlung der kurzfristig abrufbaren Zahlungsverpflichtungen für den Folgemonat werden jedoch nicht die tatsächlichen Bilanzwerte addiert, sondern es fließt eine Wichtung mit reduzierten Erfahrungsansätzen mit ein. So ist bekannt, das beim größten Bilanzposten für Sichteinlagen gegenüber Kunden (täglich fällig) ein sehr hoher Anteil auf den Konten verbleibt. Für die Berechnung wird nur ein Anrechnungssatz von 10 % berücksichtigt, d.h. der Verordnung liegt die Annahme zu Grunde, dass 90 % der Sichtguthaben nicht als Bargeld abgehoben oder an eine andere Bank überwiesen werden. Sie verbleiben als Bodensatz. Ähnlich sieht es bei den anderen Positionen aus. Die nachfolgende Tabelle zeigt die unterschiedlichen Anrechnungssätze der Sammelpositionen und rechts die terminlich genau festgelegten Verpflichtungen mit 100 % Anrechnung.

Zahlungsverpflichtungen, Laufzeitband 1
ohne Beachtung von Laufzeiten entsprechend der Restlaufzeiten
40 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Verbindlichkeiten gegenüber Zentralbanken
10 % der täglich fälligen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten
10 % der Spareinlagen Verbindlichkeiten gegenüber Kunden
5 % der Eventualverbindlichkeiten aus weitergegebenen Wechseln,
5 % der Eventualverbindlichkeiten aus übernommenen Bürgschafts- oder Gewährleistungsverpflichtungen
5 % der Haftung aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten
20 % der Platzierungs- und Übernahmeverpflichtungen
20 % der erteilten unwiderruflichen Kreditzusagen

Nachtrag 1/2018

Die oben genannten Forderungen aus dem Kreditwesengesetz sind ganz offensichtlich in die Vorschriften der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich), hier "Capital Requirements Directive (CRD)" eingeflossen. Die Forderungen gemäß CRD wurden in nationales Recht übernommen und ersetzen mittlerweile weitgehend die ehemaligen Anforderungen gemäß KWG. Nach der CRD wird unterschieden in

  • Liquidity Coverage Ratio (LCR)und
  • Net Stable Funding Ratio (NSFR)

Die LCR ist auf die Zahlungsfähigkeit einer Bank in einem 30-Tage Intervall ausgerichtet, während die NSFR einen 1-jahres Zeitraum berücksichtigt.

Interessant ist die Bewertung des nun als "Rückzugsrate" bezeichneten Faktors. Mit welcher Entnahme von Mitteln muss die Bank in einer Stresssituation rechnen? Während dies laut LiqV bei Kunden-Sichtguthaben noch 10 % waren, ist dieser Wert in der LCR auf 5 % gesunken[8]. Besitzt eine Bank sofort fällige Verbindlichkeiten in Höhe von 100 Mill. €, so muss sie davon ausgehen, dass in den besagten Stresssituationen nach Basel III, 5 Mill. € von Kunden abgezogen werden. Sie muss also für diesen Fall 5 Mill. € an hochliquiden Mitteln bereithalten, um die Mindestanforderungen nach CRD zu erfüllen.



Einzelnachweise

  1. Wolfgang Grill und Hans Perczynki: Wirtschaftslehre des Kreditwesens. 38 Auflage. Bildungsverlag EINS, Troisdorf Stand 1. Mai 2004, ISBN 3-441-00303-9.
  2. Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz - KWG)
  3. Kreditwesengesetz auf Wikipedia
  4. Ergänzende Anforderungen an die Eigenmittelausstattung von Instituten, Institutsgruppen, Finanzholding-Gruppen und gemischten Finanzholding-Gruppen; Verordnungsermächtigung
  5. Fachhochschule Trier, Prof. Dr. Streitferdt (Abgerufen 8. April 2013)
  6. Liquiditätsverordnung Verordnung über die Liquidität der Institute
  7. Begründung zur Verordnung über die Liquidität der Institute (Liquiditätsverordnung – LiqV)
  8. DIW Wochenbericht Nr. 21.2016, Die neue Basler Liquiditätsregulierung: Ausgestaltung und Fallstricke, Seite 481, Abruf 10.03.2018