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{{Kasten blass|„Das Verhältnis von Bargeld zur Einlage von eins zu vier, wie von White behauptet und fast wörtlich aus Macleods Werk von vor einem halben Jahrhundert übernommen, stellt vermutlich das Verhältnis zu jener Zeit dar. <ref>Phillips veröffentlichte sein Buch 1920 und bezog sich auf  
 
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Henry Dunning Macleod (* 1821 in Edinburgh; † 1902) und sein Buch “Theory and Practice of Banking”[http://archive.org/stream/theoryandpractic015824mbp#page/n0/mode/2up] aus dem Jahr 1856 sowie auf Horace White,  (* 1834 in Colebrook, New Hampshire; † 1916) und sein Buch “Money and Banking” [http://archive.org/stream/moneyandbanking01unkngoog#page/n10/mode/2up]aus dem Jahre 1902"</ref>}}
 
Henry Dunning Macleod (* 1821 in Edinburgh; † 1902) und sein Buch “Theory and Practice of Banking”[http://archive.org/stream/theoryandpractic015824mbp#page/n0/mode/2up] aus dem Jahr 1856 sowie auf Horace White,  (* 1834 in Colebrook, New Hampshire; † 1916) und sein Buch “Money and Banking” [http://archive.org/stream/moneyandbanking01unkngoog#page/n10/mode/2up]aus dem Jahre 1902"</ref>}}
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Den bisherigen Ausführungen könnte man entnehmen, dass Bargeld die unerlässliche Voraussetzung für die Gewährung von Darlehen und damit von Guthaben und Schulden sei. Es geht jedoch auch ohne Geld.
  
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== Entstehung von Guthaben und Schulden ==
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Dass Guthaben und Schulden nicht nur bei Banken entstehen können, zeigt folgendes Beispiel.
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Beno leiht sich von seinem Nachbarn Anton 120 Säcke Weizen und verspricht, nach einem Jahr die gleiche Menge zurückzuliefern. Leistung und Gegenleistung liegen 1 Jahr auseinander. Anton hat jetzt ein Guthaben von 120 Sack Weizen und Beno eine Schuld von 120 Sack Weizen. Anton hat eine Forderung gegen Beno, Anton ist Gläubiger und Beno Schuldner geworden.
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Einigen sich beide darauf, dass [[Datei:Kredit01.png|rechts]]ein Sack Weizen 10 € wert ist, ist bei Beno ein Guthaben von 1.200 € und bei Anton eine Schuld von 1.200 € entstanden. Beide können nun auch die Bank in ihre Geschäftsbeziehung mit einschalten. (Ausführlicher ist diese Vertragssituation in der der Untersuchung zu Martin Scheytts Buch: „[[Martin Scheytt: Begriffsdefinitionen#Kreditschöpfung| Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung]]“ zu sehen.) Nach Ablauf eines Jahres liefert Beno 120 Säcke Weizen an Anton und dieser veranlasst eine Überweisung von 1.200 € an auf das Konto von Beno. Sämtliche Konten sind nun ausgeglichen; es bestehen keine Guthaben und auch keine Schulden mehr. Für das Entstehen von Guthaben und Schulden ist kein Bargeld Bargeld erforderlich. Auch Geld als Wertmaßstab wird nicht unbedingt benötigt, es erleichtert jedoch das gegenseitige Verrechnen erheblich. Dieses Geld muss jedoch nicht körperlich vorhanden sein. Man könnte auch mit "Jupiter-$" als Referenz rechnen. Niemand hat sie bisher gesehen und wird sie auch nie sehen. Kraft Übereinkunft könnten "Jupter-$" allgemein anerkanntes Zahlungsmittel und Wertmaßstab sein, sowie auch der Wertaufbewahrung dienen. Die Verwendung von Bargeld gestaltet sich schwierig, wenn man nicht mit Bezugsscheinen für Jupiter-$ arbeiten möchte.
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==Einzelnachweise==
 
==Einzelnachweise==
 
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Version vom 15. Oktober 2013, 17:31 Uhr

Bank Credit

Das Werk "Bank Credit"[1] A Study of the Principles and Factors Underlying Advances Made by Banks To Borrowers" wurde von Chester Arthur Phillips 1920 veröffentlicht.

Auf ihn und sein Werk "Bank Credit" wird die als multiple Giralgeldschöpfung in der Wirtschaftstheorie bekannte Ausweitung der Kreditvergabe zurückgeführt. Teilweise ist auch der Begriff "Pillipsmultiplikator" anzutreffen, welcher die auf ihn zurückzuführende Berechnungsmethode eindeutig identifiziert.

Vielfach wird heute die Meinung vertreten, dass die Theorie der multiplen Geldschöpfung nach Phillips irreführend sei. Bernd Senf beschreibt die, auf dieser Theorie basierende Erklärung des Geldschöpfungsmultiplikators in seinem Buch, Der Nebel um das Geld als falsch.[2] Die Bundesbank hat in Ihrer Schrift "Geld und Geldpolitik - Schülerbuch für die Sekundarstufe II" [3] die Theorie der multiplen Giralgeldschöpfung mittlerweile komplett herausgenommen.

Um eine Klärung, welche Argumente nun richtig oder falsch sind, herbeizuführen, ist ein Blick in das Buch "Bank Credit"[4] von Phillips hilfreich.

Nachfolgend deshalb Ausschnitte, Anmerkungen und eine Zusammenfassung seiner wesentlichen Aussagen zur Kreditschöpfung.

Hinweis!

Um Aussagen Phillips von anderem Text zu unterscheiden wurden diese mit einem vertikalen, grauen Strich am Zeilenanfang gekennzeichnet.

Wörtliche oder sinngemäße Aussagen von Phillips.

Wichtige Passagen werden zusätzlich in einem blauen Kasten dargestellt.


Teil I, Quantitative Aspekte des Bankkredits

Anmerkung: Bei der Kreditbereitstellung geht Phillips von der angelsächsischen Buchungsmethode aus. Wird ein Kredit gewährt, wird auch gleich die Kreditsumme in der Bilanzbuchhaltung erfasst. Ein Kredit über 1000 Geldeinheiten führt sofort zu einem Guthaben von 1000 Geldeinheiten wie auch zu einer Schuld von 1000 Geldeinheiten. Überziehungskreditrahmen sind hiervon ausgenommen. Die kontinentale Buchungsmethode dagegen setzt jedoch erst einen Abruf der vereinbarten Kreditsumme voraus, bevor es zu Guthaben und Schulden kommt.

"Das Hauptanliegen des vorliegenden Kapitels liegt darin, eine scharfe Trennlinie zwischen der Kreditvergabe einer einzelnen Bank und der Kreditvergabe des Bankenverbundes zu ziehen." [Seite 32]

"In diesem Kapitel ist durchgehend der Begriff Bargeld in einem weiten Sinne, gleichbedeutend mit Reserve zu verstehen und dabei wird keine Unterscheidung zwischen Schecks, Wechseln usw., welche in Bargeld getauscht werden können und dem Bargeld selbst, gemacht."

"Es macht keinen wesentlichen Unterschied für die Bank, [Seite 33] wodurch zusätzliche Einlagen entstehen, ob auf Grundlage von gesetzlichem Geld oder durch verschiedene Kreditformen, Banknoten, Schecks, Wechsel, welche leicht in gesetzliches Geld umgetauscht werden können. Es wird schon lange beobachtet, dass die Banken in einem bestimmten Kreditbereich, z.B. in den USA, in der Lage sind, Kredite zu vermehren, d. h. Kredite in mehrfacher Höhe zu ihren Reserven auszugeben und es wurde die Schlussfolgerung gezogen, dass das, was für die Summe der Banken gilt, auch für die Einzelbank gilt und diese Schlussfolgerung wurde durch die beobachtete Tatsache gestützt, das in der Bilanz bei jeder gezeigten einzelne Bank der Anteil an Krediten die mehrfache Summe der Reserve beträgt. Aus der Beobachtung, dass bei einer einzelnen Bank wie auch bei allen Banken gemeinsam, gewöhnlich die Höhe der Darlehen ein Vielfaches der Reserve beträgt, schließen die Theoretiker, das eine Erhöhung der Reserve einer Einzelbank diese in die Lage versetzt, ein Vielfaches an Darlehen zu vergeben."

"Gemäß der alten Theorie kann eine Bank, welche $100.000 Bargeld besitzt, und ein Darlehn von $1.000.000 vergeben hat, durch den Erhalt von weiteren $100.000 in die Lage versetzt werden, weitere Darlehn in Höhe von $1.000.000 hinzuzufügen. Diese Argumentation lässt jedoch bestimmte Folgen der Darlehnserhöhung außer Acht, auf welche später in diesem Kapitel noch verwiesen wird. Wir können als These, welche noch zu belegen ist, jetzt festhalten, dass der Erwerb von zusätzlichen [Seite 34] primären Einlagen eine Einzelbank in die Lage versetzt, ihr Darlehn nur ein wenig über den Betrag dieser Einlage auszudehnen."

"Aber wie kann eine bestimmte Menge Bargeld die Grundlage für vielfältige Darlehn und Einlagen in einem Bankensystem werden, wenn die gleiche Einlagemenge bei einer Einzelbank kaum oder nur sehr wenig vermehrt werden kann. Das ist das Rätsel des Bankensystems und dieses Kapitel ist hauptsächlich dessen Lösung gewidmet. Eine Erklärung und kritische Darstellung dieser althergebrachten Theorie, konsequent überliefert seit den Tagen von Alexander Hamilton bis in die Gegenwart, wird als aussichtsreicher Ausgangspunkt dienen."

"Horace White, Macleod folgend, hat im Wesentlichen die gleiche Erklärung in den verschiedenen Ausgaben von „Money and Banking“, welche weitgehend als Texte an unseren Hochschulen und Universitäten benutzt werden. Die folgenden Passagen aus diesem Werk sind typisch für das traditionelle Vorgehen."

"Ein Mann besitzt $10.000 und gründet damit eine Bank. Sein Nachbar deponiert $50.000 bei ihm. Die Banken wissen aus Erfahrung, dass Kunden etwa soviel Geld einzahlen wie andere Kunden abheben, so dass die $60.000 immer vorhanden sind. Wenn seine eigenen 10.000 $ zusammen [Seite 35] mit seinem guten Ruf in der Öffentlichkeit als Garantie für eine Einlage von $50.000 genügen, dann reichen die jetzt vorhandenen $60.000 für eine weit größere Summe."

Mit dem Kauf von Schuldscheinen und Wechseln, welche erst in der Zukunft fällig werden, erhöht sie die Einlagen und Darlehen um $200.000. Die Einlagen werden jedoch noch um die Diskontierung reduziert, da diese als Gewinn der Bank verbucht werden, im Beispiel um $3.000. Die Bank verdankt den Einlegern und sich selbst $260.000 und besitzt Vermögenswerte, die diesem Wert entsprechen, hat aber nur $60.000 Bargeld in der Kasse. Daraus folgt, dass die Bank etwas hergestellt hat, was als Tauschmittel dient und zwar im Betrag von $197.000. Das ist der Kredit. In der Regel können mit diesem Waren so einfach gekauft werden wie mit Geld, da Schecks aus Sichteinlagen im Handel von allen Teilnehmern akzeptiert werden. Zwischen der Einreichung eines Wechsels und der Einzahlung von Gold besteht jedoch ein Unterschied. Die Einreichung eines Wechsels erzeugt eine Einlage aufgrund eines Kredits und die Einzahlung von Gold eine Einlage basierend auf Bargeld. "In der Praxis können die Bankkredite zu einem bestimmten Zeitpunkt etwa vier- bis fünfmal so hoch sein wie die Menge an Bargeld in der Kasse."

An einem Beispiel zeigt Phillips das Ergebnis einer Darlehenserhöhung mit dem Verlust von Bargeld.

"Nehmen wir an, die Hanover National Bank of New York erwirbt eine Einlage in Höhe von $1.000.000 in Gold und verleiht $10.000.000 ihren Kunden, ein Betrag resultierend aus einem ungefähren Verhältnis von 1 zu 10 zwischen Reserve und Einlage in unserem heutigen Bankensystem. (Das Verhältnis von Bargeld zur Einlage von eins zu vier, wie von White behauptet und fast wörtlich aus Macleods Werk von vor einem halben Jahrhundert übernommen, stellt vermutlich das Verhältnis zu jener Zeit dar.) Die Darlehensnehmer der Hanover National Bank würden nur wenig oder [Seite 38] gar kein Bargeld abheben, aber sicherlich Schecks aus dem hinterlegten Gegenwert ihrer Darlehn bei der Bank ziehen. Die Schecks würden an andere Gläubiger weitergereicht. Nur ein kleiner Teil dieser Schecks würde bei der Hanover National Bank für einen Kredit eingereicht, ohne einen Barabfluß mit sich zu ziehen. Der Größte Teil der Schecks würden von den Gläubigern der $10.000.000 als Gegenwert des Darlehens über das New York clearing house gezogen, manche weitgereist vom ursprünglichen Einlageort. Vielleicht werden nur $100.000 der Schecks bei der Hanover National Bank eingereicht. Den Rest des vielfältigen Darlehens, basierend auf der Goldeinlage und vermutlich außer einem kleinen Anteil von nicht mehr als 20 %, welcher nicht von den Darlehensnehmern mit Schecks gezogen wurde, würde den Teil darstellen, welchen die Bank über die Verrechnungsstelle verlieren würde, ein Betrag, der über das Bankensystem verteilt würde. Es ist klar, dass eine Bank, welche versucht weit über den Zuwachs an Reserven Darlehn zu vergeben, dies auf eigenes Risiko tut."

An dieser Stelle ist eine nähere Betrachtung erforderlich. Der beschriebene Sachverhalt sieht keine Rückwirkung von Darlehenserhöhungen anderer Banken vor oder schließt diese aus. Die geschilderte Situation tritt nur ein, wenn die Hanover National Bank of New York als einzige Bank des Bankensystems einen solches Darlehen gewährt. Es erscheint unlogisch, wenn einerseits Bargeldabflüsse an andere Banken ein funktionierendes Bankensystem voraussetzen, gleichzeitig Darlehenserhöhungen anderer Banken und deren Rückwirkungen jedoch nicht stattfinden. Die Praxis sieht anders aus. Einen solchermaßen konstruierten, praxisfremden Fall zur Grundlage einer Theorie heranzuziehen ist leichtfertig und nicht tragfähig. In der Schlussbetrachtung wird auf diese Erkenntnis nochmals eingegangen.

Die Darlehens- und Einlagenerhöhung im Bankensystem wird von Phillips so beschrieben:

"Es wäre in jedem Fall klar, dass bei nur einer Bank, in welche alle anderen Banken integriert und das Darlehns- und Einlagengeschäft des ganzen Landes konzentriert wäre, ein Reserve- Einlagen Verhältnis von R beibehalten wird, dass die Nettoeinlagen einer vorgegebenen Bargeldhöhe oder Reserve c, die Institution in die Lage versetzen würde, zusätzlich zu ihrem normalen Betrag folgende Darlehn zu vergeben

Formel01.png

Das ist richtig, da die Einzahlung von Bargeld c selbst auch eine Reserve in Höhe von Rc erfordert, und somit c - Rc als Reserve für die Bildung zusätzlichen Darlehens übrigbleibt."

"Wenn das Verhältnis von Bargeld zu Einlagen durch R ausgedrückt wird und neues Bargeld oder Reserve durch c, die Erhöhung der Einlagen auf der Grundlage von zusätzlichem Bargeld als D, die Erhöhung der Darlehen auf der gleichen Grundlage als X, dann gelten folgende Gleichungen:"

Formel04.png


Der vorgenannte Sachverhalt ist kompliziert dargestellt und erschließt sich einfacher, wenn man konkrete Zahlen verwendet.

  • c = Bareinzahlung = $10.000
  • R = Verhältnis Barreserve zu Einlagen = 1 zu 10 = 0,1
  • X = Erhöhung der Darlehen aufgrund des zusätzlichen Bargeldes c
  • D = maximale Einlagenerhöhung auf Grundlage von c, bestehend aus Sichteinlage Bargeld und Sichteinlage Darlehen.


In der nebenstehenden
BilanzPhillips.png
Bankbilanz sind nur die zusätzlichen Beträge aufgeführt, welche auf eine Bareinzahlung zurückzuführen sind. Bei einer Bareinzahlung von $10.000 (1.) und einem Verhältnis Barreserve zu Einlage von 1 zu 10 kann die Bank ein zusätzliche Darlehen (2.) bis zu einer Sichteinlage von $100.000 gewähren. Bei der Einzahlung von $10.000 Bargeld entsteht auf der Aktivseite der Bilanz ein zusätzlicher Kassenbestand von $10.000 und gleichzeitig auf der Passivseite der Bilanz eine Sichteinlage des Kunden in Höhe von $10.000. Bis zur Maximalgrenze von $100.000 können also $90.000 als neue Darlehen gewährt werden. Phillips bezeichnet die Sichteinlagen Bargeld (c) als Primäreinlagen und die Sichteinlagen Darlehen als Sekundäreinlagen oder derivate (abgeleitete) Einlagen (X). Mehr ist in den zuvor aufgeführten Formeln nicht nicht enthalten. Die zuletzt aufgeführte Formel entpuppt sich als Berechnung für die zusätzlich vergebbaren Darlehen aufgrund einer Bargeldeinzahlung über $10.000. Aus der nebenstehenden Bilanz ist ersichtlich, dass nur $90.000 als zusätzliches Darlehen gewährt werden können. Aber erst eine Formel verleiht der logischen Erkenntnis eine vermeintlich glaubwürdigere Basis. Füllen wir die Formel mit Zahlen wird deutlich, dass es sich um einen ganz einfachen Zusammenhang handelt. X ist die maximal mögliche Darlehensgewährung aufgrund einer Bareinzahlung c.


Formel05.png


Formel06.png

D beinhaltet die maximale Einlagenerhöhung auf Grundlage von c, errechnet nach der vorgenannten Formel oder aber auch, wie aus der Bilanz ersichtlich, den beiden Einlageposten c + X.

Die Abbildung 1
Abbildung 1, Einzeldarlehen
zeigt den Verlauf eines Darlehensvorganges. Die Zeit wird entlang der Achse 0 - P aufgetragen. Die senkrechte Achse zeigt den Betrag der gesamten Einlagen eines Kunden an. Unten ist als relativ konstante Größe die Primärsichteinlage, also die auf einer Bargeldeinzahlung basierende Sichteinlage eingetragen. Zum Zeitpunkt 0 hat der Kunde ein Guthaben von 0-M. Wird eine Darlehen gewährt, beträgt das Guthaben 0-M + M'-K, M'-K ist die Sekundäreinlage. Das Guthaben steht noch einige Tage auf dem Konto bevor es komplett abzogen wird. Auch bei der Rückzahlung wird vor dem Fälligkeitstermin bereits ein Anstieg auf dem Kundenkonto zu sehen sein, um termingerecht den Darlehensbetrag zurückzuzahlen. Nach Rückzahlung fällt das Guthaben wieder auf den Wert P-N.


"Es kann als gesichert festgehalten werden, dass unsere Banken in der Summe ein Verhältnis von Sekundäreinlagen zu Darlehen von etwa 5 bis 20 % besitzen."


"Nachdem eine
Abbildung 2, mehrere Darlehen
Bank sozusagen ihren Rhythmus gefunden hat und ihre Darlehen fällig werden, tendieren die derivaten Einlagen zu einem Konstant bleibenden Wert. Das zeigt Diagramm 2, welches eine Serie von derivaten Einlagenkurven, jede ähnlich wie in Diagramm 1 enthalten, darstellt. Hier wird, genau wie in Abbildung 2, die Zeit auf der horizontalen Achse gemessen und die derivaten Einlagen durch den senkrechten Abstand oberhalb der Linie M N."

"Senkrechte Achsen, errichtet an zwei beliebigen Punkten zwischen a und b würden die derivate Einlagenkurve so schneiden, dass die Summe der vertikalen Abstände des Schnittpunktes oberhalb der M N –Linie in beiden Fällen etwa gleich wäre."

Zur besseren Lesbarkeit sind gegenüber dem Original einige Kurven farbig eingetragen, sodass ein Verfolgen des Kurvenverlaufs etwas leichter fällt.


Quantitative Bestimmung der einzelnen Darlehenserweiterungen von Banken, abhängig vom Erwerb von Primäreinlagen

"Unser Verständnis zur Natur der Kreditbankgeschäfte und der Art der primär- und derivativen Einlagen wird uns nun ermöglichen, mit der Entwicklung einer Formel für die Bestimmung des Betrages fortzufahren, den jede Einzelbank eines Systems seinem Darlehens- und Diskontierungsposten, aufgrund einer zusätzlichen Bareinzahlung, hinzufügen kann.

Verwendet werden die folgenden Größen und ihre Abkürzungen:

  • Das zusätzliche Bargeld oder Reserve (c);
  • Überschussreserve, d.h. dass, was eine Bank infolge eines zusätzlichen Darlehens verliert (c1);
  • Darlehenserweiterung infolge zusätzlichen Bargeldes (x);
  • Das Verhältnis von Bargeld oder Reserve zu Einlagen (r);
  • Das Verhältnis von derivaten Einlagen zu Darlehen (k)."

Die entwickelte Formel lautet x = c ( 1 - r ) / ( kr + 1 - k ). Im Beispiel mit c=$1.000, r=0,1 und k=0,2 folgt für x ein Wert von $1.097,56. Wenn also $1.000 an Bargeld eingezahlt werden kann die Bank daraus ein Darlehen in Höhe von $1.097,56 gewähren. Dies bedingt dadurch, dass die Darlehenssumme im Durchschnitt nur zu 80 % von der Bank abgezogen wird. Wird die Darlehenssumme ganz entnommen, d.h. k=0 kann höchstens ein Darlehen von $900 vergeben werden.

Die Verteilung neuer Reserven als Grundlage mehrfacher neuer Darlehen

In der nebenstehenden
Abbildung 3, Die Verteilung neuer Reserven als Grundlage mehrfacher neuer Darlehen
Abbildung 3 geht Phillips von einem Verhältnis Barreserve zu Sichteinlage von 1 zu 10 und einem Verhältnis Darlehen zu Sekundäreinlage von 1 zu 5 aus. Mit der im letzten Abschnitt gezeigten Formel lassen sich nun sämtliche Werte dieser Darstellung ermitteln. Wird Bargeld (c) in Höhe von $1.000 eingezahlt, kann die Bank ein Darlehen (x) in Höhe von $1.097,56 gewähren. Hiervon werden 80 % entnommen ($878,05), bei der Bank B eingezahlt und bilden somit die Grundlage (c1) für ein Darlehen durch die Bank B. Bei Bank A verbleiben $100 für die Reserve aus der Bareinzahlung sowie weitere $21,95 als Reserve für die 20 % verbleibende Sichteinlage (d) aus dem Darlehen. Dieser Berechnungsvorgang kann nun unendlich oft wiederholt werden.


Die Abbildung 3 berücksichtigt
Abbildung 4, Die Verteilung neuer Reserven als Grundlage mehrfacher neuer Darlehen, bei vollständiger Darlehensauszahlung
"durchschnittliche derivate Einlagen", d-dn, welche offensichtlich Ergebnis der "angelsächsische Buchungsmethode" sind. Die Multiplikatorformel von Phillips wird in der heutigen Wirtschaftswissenschaft ohne diesen Anteil d-dn angewandt, d.h. man geht davon aus, dass Darlehen auch zu 100 % von der darlehensgebenden Bank, in Form von Bargeld oder Überweisungen an andere Banken, abgezogen werden. Unter dieser Voraussetzung entstehen keine derivaten Einlagen mehr (k=0). Abbildung 3 reduziert sich auf eine einfachere Darstellung, wie in Abbildung 4 gezeigt.


Abbildung 5 zeigt die Werte
Phillips02.png
von Abbildung 4 in einer Tabelle. Es wird erkennbar, dass die einzelnen Spalten arithmetische Reihen darstellen. In der letzten Zeile sind die Summen der Reiheneinzelwerte aufgeführt.

Der Summenwert in Spalte "Bargelderhöhung (c)" wurde durchgestrichen, da es sich nur um eine rein theoretische Größe handelt, die keinen praktischen Nutzen hat. Der zusätzliche Barbetrag bei Bank A von $1.000 existiert nur für die kurze Zeitspanne zwischen der Bareinzahlung und der folgenden Inanspruchnahme des Darlehens. Danach verbleibt von den $1.000 nur ein Restbetrag von $100 in der Kasse der Bank. Die Addition dieser, nur jeweils kurze Zeit vorhandenen Bareinzahlungen, ergibt somit keine verwertbare Größe.
Die Spalte "Neuer Kredit (x)" zeigt die mögliche Darlehenserweiterung auf der Grundlage der einzelnen Bareinzahlungen. Nach einer Bareinlage von $1.000 kann Bank A ein Darlehen über $900 gewähren. Wird dieser Betrag abgehoben und bei Bank B eingezahlt, kann diese ein Darlehen über $810 erteilen. Aus der ursprünglichen Bargeldmenge von $1.000 können nach unendlich vielen Bargeld/Darlehenswechseln Darlehen in Höhe von insgesamt $9.000 erzeugt werden. Der, bei den einzelnen Banken verbleibende Rest an Bargeld, wird in der Spalte "Kassenreserve" aufgeführt. Die Summe entspricht dem ursprünglich bei Bank A eingezahlten Bargeld. In der Spalte "Primäreinlage (p)" sind die jeweiligen Festgeld- oder Sparbeträge aufgelistet. Damit das erste Darlehen von der Bank A über $900 vergeben werden kann, muss zuvor jemand $1.000 eingezahlt haben und für die Dauer des Darlehens auf die Auszahlung dieses Betrages verzichten. Ebenso muss Bank B erst eine dauerhafte Einlage von $900 bekommen, bevor sie ein Darlehen von $810 gewähren kann.

Diese Betrachtung geht von der "orthodoxen" Theorie aus. Auszug aus "Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung" [5] von Martin Scheytt.

"Nach der älteren, sog. orthodoxen Auffassung entsteht jede Einlage, jedes Bankguthaben durch eine Geldeinzahlung."

Auch Phillips beschreibt diese Sichtweise eindeutig mit:

"Der Besitz einer Barreserve in nahezu gleicher Höhe wie das neue Darlehen ist eine Voraussetzung zu einem solchen Darlehen. Damit eine Bank ihre Darlehen um einen bestimmten Betrag, $100.000 oder $1.000.000 erhöhen kann ist es wichtig, dass die Bank sich neue Primäreinlagen, von etwa gleicher Größenordnung, beschafft. Daher auch der Kampf um die Primäreinlagen."


Antworten zur erwarteten Kritik

Sehr interessant ist ein Blick auf diesen Abschnitt, welcher die damalige Sichtweise gut darlegt.

"Es wird erwartet, dass sich die Kritik an der in diesem Kapitel entwickelten Theorie auf die Behauptung konzentriert, dass eine einzelne Bank als Folge einer Erhöhung der Bareinlagen, ohne Beeinträchtigung ihrer Barreserve einen Betrag in etwa gleich dem Produkt der Bareinlagenerhöhung und des Einlagen-Barreserve-Verhältnisses ( nicht Barreserve-Einlagen-Verhältnis ) der Bank verleihen kann, diese Behauptung basierend auf der Vorstellung, dass ein neu vergebenes Darlehen keinen Reduzierung an Bargeld verursachen würde, da Schecks, vom Darlehensnehmer auf den Einlagenerlös des neuen Darlehens der ausleihende Bank gezogen, mit Einlagen der darlehensgewährenden Bank, entstehend aus einem vergleichbaren Betrag aus Schecks

  • erhalten von Kunden bei Geschäftstätigkeiten,
  • von anderen Banken gezogen als Ergebnis von Darlehen, welche diese Banken ihren Darlehensnehmern gewährten,

verrechneten.


Der Originalsatz umfasst tatsächlich 16 Zeilen mit diesem Inhalt. Vereinfacht ausgedrückt: Die Kritiker behaupten, dass eine einzelne Bank sehr wohl das Mehrfache einer neuen Bareinlage als Darlehen vergeben kann, da ähnliche Vorgänge bei anderen Banken zu einem Ausgleich des Bargeldverlustes über gegenseitige Verrechnung führt.

"Wenn alle Banken ihre Darlehen mit der gleichen Rate erweitern, in Verbindung mit der gleichzeitigen Erhöhung ihrer Reserven, wäre die Behauptung gültig. Aber Erhöhungen der Reserven eines Bankensystems werden, mit Ausnahme von außergewöhnlichsten Fällen, zu einem bestimmten Zeitpunkt, nicht durch die gleichzeitige Einlage von Barmitteln in allen Banken eines Systems getätigt, sondern durch die Einlage von Geldern in nur einem kleinen Teil der Banken, von wo sie über das System verstreut werden."

Zu dieser Zeit war bei Geschäftsbanken im Durchschnitt ein Verhältnis von Sichteinlagen zu Barreserve von 10 zu 1 anzutreffen ist. Phillips führt dazu als Beispiel (Seite 37) eine Einlage und ein Darlehen bei der Hanover National Bank of New York mit diesem Verhältnis auf. Er bemerkt zu Angaben Macleods und Whites über ein Verhältnis von nur 4 zu 1:

„Das Verhältnis von Bargeld zur Einlage von eins zu vier, wie von White behauptet und fast wörtlich aus Macleods Werk von vor einem halben Jahrhundert übernommen, stellt vermutlich das Verhältnis zu jener Zeit dar. [6]

Den bisherigen Ausführungen könnte man entnehmen, dass Bargeld die unerlässliche Voraussetzung für die Gewährung von Darlehen und damit von Guthaben und Schulden sei. Es geht jedoch auch ohne Geld.

Entstehung von Guthaben und Schulden

Dass Guthaben und Schulden nicht nur bei Banken entstehen können, zeigt folgendes Beispiel. Beno leiht sich von seinem Nachbarn Anton 120 Säcke Weizen und verspricht, nach einem Jahr die gleiche Menge zurückzuliefern. Leistung und Gegenleistung liegen 1 Jahr auseinander. Anton hat jetzt ein Guthaben von 120 Sack Weizen und Beno eine Schuld von 120 Sack Weizen. Anton hat eine Forderung gegen Beno, Anton ist Gläubiger und Beno Schuldner geworden.

Einigen sich beide darauf, dass
Kredit01.png
ein Sack Weizen 10 € wert ist, ist bei Beno ein Guthaben von 1.200 € und bei Anton eine Schuld von 1.200 € entstanden. Beide können nun auch die Bank in ihre Geschäftsbeziehung mit einschalten. (Ausführlicher ist diese Vertragssituation in der der Untersuchung zu Martin Scheytts Buch: „ Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung“ zu sehen.) Nach Ablauf eines Jahres liefert Beno 120 Säcke Weizen an Anton und dieser veranlasst eine Überweisung von 1.200 € an auf das Konto von Beno. Sämtliche Konten sind nun ausgeglichen; es bestehen keine Guthaben und auch keine Schulden mehr. Für das Entstehen von Guthaben und Schulden ist kein Bargeld Bargeld erforderlich. Auch Geld als Wertmaßstab wird nicht unbedingt benötigt, es erleichtert jedoch das gegenseitige Verrechnen erheblich. Dieses Geld muss jedoch nicht körperlich vorhanden sein. Man könnte auch mit "Jupiter-$" als Referenz rechnen. Niemand hat sie bisher gesehen und wird sie auch nie sehen. Kraft Übereinkunft könnten "Jupter-$" allgemein anerkanntes Zahlungsmittel und Wertmaßstab sein, sowie auch der Wertaufbewahrung dienen. Die Verwendung von Bargeld gestaltet sich schwierig, wenn man nicht mit Bezugsscheinen für Jupiter-$ arbeiten möchte.


Einzelnachweise

  1. Chester Arthur Phillips: Bank Credit: A Study of the Principles and Factors Underlying Advances Made by Banks To Borrowers. The Macmillian Company, New York 1931.
  2. Bernd Senf: Der Nebel um das Geld. 10 Auflage. Verlag für Sozialökonomie, Gauke GmbH, Kiel 2009, ISBN 978-3-87998-456-5. Seite 158 - 166
  3. Geld und Geldpolitik Schülerbuch der Bundesbank
  4. Bank Credit: A Study of the Principles and Factors Underlying Advances Made by Banks To Borrowers vom Ludwig von Mises Institute
  5. Martin Scheytt: Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung. 1 Auflage. Duncker & Humblot, Berlin 1962, ISBN 3-428-01292-5.
  6. Phillips veröffentlichte sein Buch 1920 und bezog sich auf Henry Dunning Macleod (* 1821 in Edinburgh; † 1902) und sein Buch “Theory and Practice of Banking”[1] aus dem Jahr 1856 sowie auf Horace White, (* 1834 in Colebrook, New Hampshire; † 1916) und sein Buch “Money and Banking” [2]aus dem Jahre 1902"