Das Geldrätsel: Geld, Kredite und Forderungen: Unterschied zwischen den Versionen

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Diese drei Begriffe hängen irgendwie zusammen, sind aber auch Anlass für viele Missverständnisse, wenn ihre unterschiedliche Bedeutung nicht klar herausgestellt wird. Was bedeutet zum Beispiel eine Zahl auf unserem Kontoauszug? Stellt sie „Geld“ dar, ist es ein „Kredit“ oder aber eine „Forderung“?
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Diese drei Begriffe hängen irgendwie zusammen, sind aber auch Anlass für viele Missverständnisse, wenn ihre unterschiedliche Bedeutung nicht klar herausgestellt wird. Was bedeutet zum Beispiel die Zahl auf unserem Kontoauszug? Stellt sie „Geld“ dar, ist es ein „Kredit“, ein Vermögenswert, eine "Forderung" oder aber ein „Recht“?
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Wie entsteht ein solches Missverständniss? Betrachten wir ein Giroguthaben bei der Bank. Banktechnisch gesehen handelt es sich bei den Sichteinlagen auf der Passivseite der Bankbilanz um „Verbindlichkeiten der Bank gegenüber Kunden“, vereinfacht gesagt um Schulden der Bank.
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{{Kasten hellbraun|Wie aber können Schulden der Bank zur Deckung eines Kredites verwendet werden?}}
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Die Verwirrung entsteht durch die weit verbreitete Auffassung, dass auf den Girokonten „Geld“ liegen würde. Da dieses „Geld“ der Kunden zu einem Großteil auf den Girokonten verbleibt, kann es für Kredite verwendet werden? Dann müsste es bei der Auszahlung von Krediten jedoch auch entsprechend verringert werden, was ganz offensichtlich nicht der Fall ist. Im Gegenteil, die Sichtguthaben steigen insgesamt bei Krediten der Bank an.
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Oft wird auch die Frage gestellt:
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{{Kasten hellbraun|Wie kann ich mit Schulden eine Rechnung bezahlen?}}
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Wenn das Giralgeld der Bank eine Schuld ist, wird dann mit dieser Schuld eine andere Schuld getilgt?
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Die vorgenannten Überlegungen resultieren aus der Sichtweise der "Ding-Geld-Ebene". Geld muss ein Ding sein, dessen Menge in den Kontenbüchern notiert wird. Diese Betrachtung muss zwangsläufig in die Irre führen, da in einer Bilanz kein "Geld" notiert wird sondern lediglich Forderungen und Verbindlichkeiten oder auch Guthaben und Schulden. Aus juristischer Sicht kann man auch von Rechten sprechen.
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Bewegt man sich deshalb auf der Ebene von Bankbilanzen und der Bankbuchführung, sollte man sich bewusst sein, dass unsere heutigen Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. Unser Giralgeld besteht aus Forderungen gegen die Bank. Es ist unser Guthaben gegenüber der Bank. Entsprechend bezeichnet die Bank sie als eigene Verbindlichkeit (Schuld) gegenüber den Bankkunden. Wir befinden uns damit auf der "Schuld-Geld-Ebene" in welcher nur Forderungen als Zahlungsmittel angesehen werden. Es erscheint jetzt auch logisch, dass mit Schulden keine Kredite finanziert werden können. Eine ernsthafte  Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichtweisen hilft, Fehlschlüsse zu vermeiden. Dazu werden beide "Ebenen" nachfolgend ausführlich beschrieben.
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====Ding-Geld-Ebene====
 
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Beginnen wir mit der allgemeinen Auffassung von Geld. Oft wird nur das Bargeld als tatsächliches Geld angesehen<ref> Georg Friedrich Knapp stellt in seinem Werk „Die staatlich Theorie des Geldes noch fest: "Bankguthaben sind kein Geld" </ref>. Dies ist wohl im Wesentlichen noch auf die Goldwährungszeit zurückzuführen in der nur werthaltige Gold- und Silbermünzen „echtes Geld“ darstellten. Das später eingeführte Papiergeld stellte nur einen Ersatz für das der Bank übergebene „echte Geld“ dar. Die Bank verpflichtete sich auf der Banknote, bei Vorlage derselben am Bankschalter, den Banknotenwert in Gold- oder Silbermünzen auszuzahlen. Noch wirkungsvoller für den Zahlungsverkehr waren Bankguthaben, mit denen Zahlungen bereits sehr frühzeitig elegant ohne jegliche Bewegung von Gold – oder Silbermünzen, aber auch ohne die Verwendung von Banknoten getätigt werden konnten. Ein frühes Beispiel für eine weitgehend reine Überweisungsbank war die [[Das Geldrätsel: Amsterdamer Wechselbank|Amsterdamer Wechselbank]] Sie nahm Gold- und Silbermünzen entgegen und schrieb sie als Bankgulden, einer internen Verrechnungseinheit, gut. Zahlungen konnten fortan mit der Überweisung von Bankgulden von einem Konto auf ein anderes Konto getätigt werden. Die Bankgulden, die Zahlen auf den Kontenblättern der Bank, standen somit stellvertretend für das eingezahlte „echte Geld“. Im Laufe der Jahrhunderte verschwanden die werthaltigen Münzen wie auch jeder Bezug zu Gold und Silber aus den Währungssystemen. Unser heutiges Geldsystem besteht nur noch aus Münzen, Geldscheinen und Kontoguthaben. Aus ehemaligen Ansprüchen auf Gold- und Silbermünzen ist nur noch ein Anspruch auf die Vermögenswerte der Geschäftsbanken und der Zentralbank geblieben. Diese Aussage wird nachfolgend noch näher erläutert. Geblieben ist jedoch das Vorstellungsmodell von Geld als einem Sachgut. Münzen und Geldscheine werden als „Geld“ wahrgenommen wie auch die Kontoguthaben bei der Bank. Die Kontoguthaben stellen lediglich eine andere Form von „Geld“ dar. Mit diesem „Geldmodell“ kann man sehr viele Funktionen und Wirkungsweisen unseres Wirtschaftssystems „begreiflich“ machen, da die Grundeinheit quasi ein Stück „Geld“ darstellt.
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Beginnen wir mit der allgemeinen Auffassung von Geld. Oft wird nur das Bargeld als tatsächliches Geld angesehen<ref> Georg Friedrich Knapp stellt in seinem Werk „Die staatliche Theorie des Geldes noch fest: "Bankguthaben sind kein Geld" </ref>. Dies ist wohl im Wesentlichen noch auf die Goldwährungszeit zurückzuführen in der nur werthaltige Gold- und Silbermünzen „echtes Geld“ darstellten. Das später eingeführte Papiergeld stellte nur einen Ersatz für das der Bank übergebene „echte Geld“ dar. Die Bank verpflichtete sich auf der Banknote den Banknotenwert in Gold- oder Silbermünzen auszuzahlen, wenn die Banknote am Bankschalter vorgelegt wird. Noch wirkungsvoller für den Zahlungsverkehr waren Bankguthaben, mit denen Zahlungen bereits sehr frühzeitig elegant ohne jegliche Bewegung von Gold– oder Silbermünzen, aber auch ohne die Verwendung von Banknoten getätigt werden konnten. Ein frühes Beispiel für eine weitgehend reine Überweisungsbank war die [[Das Geldrätsel: Amsterdamer Wechselbank|Amsterdamer Wechselbank]]. Sie nahm Gold- und Silbermünzen entgegen und schrieb sie als Bankgulden, einer internen Verrechnungseinheit, gut. Zahlungen konnten fortan mit der Überweisung von Bankgulden von einem Konto auf ein anderes Konto getätigt werden. Die Bankgulden, die Zahlen auf den Kontenblättern der Bank, standen somit stellvertretend für das eingezahlte „echte Geld“. Im Laufe der Jahrhunderte verschwanden die werthaltigen Münzen wie auch jeder Bezug zu Gold und Silber aus den Währungssystemen. Unser heutiges Geldsystem besteht nur noch aus Münzen, Geldscheinen und Kontoguthaben.  
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{{Kasten hellbraun|Aus ehemaligen Ansprüchen auf Gold- und Silbermünzen sind nur noch Ansprüche auf die Vermögenswerte der Geschäftsbanken und der Zentralbank geblieben.}}
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Diese Aussage mag etwas verunsichern und wird deshalb nachfolgend näher erläutert. Geblieben aus der Goldwährungszeit ist jedoch das Vorstellungsmodell von Geld als einem Sachgut. Münzen und Geldscheine wie auch die Kontoguthaben bei der Bank werden als „Geld“ wahrgenommen. Die Kontoguthaben stellen lediglich eine andere Form von „Geld“ dar. Mit diesem „Geldmodell“ kann man sehr viele Funktionen und Wirkungsweisen unseres Wirtschaftssystems „begreiflich“ machen, da die Grundeinheit quasi ein "Stück Geld“ darstellt.
 
Die Volkswirte benutzen dieses Modell für allgemeine Aussagen über die Wirtschaft und die Rolle, welche die Banken dabei spielen. Die Deutsche Bundesbank hierzu:
 
Die Volkswirte benutzen dieses Modell für allgemeine Aussagen über die Wirtschaft und die Rolle, welche die Banken dabei spielen. Die Deutsche Bundesbank hierzu:
  
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Die Aufgabe des Finanzsystems besteht darin, das Weiterleiten finanzieller
 
Die Aufgabe des Finanzsystems besteht darin, das Weiterleiten finanzieller
 
Mittel von Anbietern zu Nachfragern zu erleichtern.}}
 
Mittel von Anbietern zu Nachfragern zu erleichtern.}}
https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik.pdf?__blob=publicationFile</ref>}}Eine plausibel erscheinende Funktionsbeschreibung der Banken, die auch für viele Erklärungen der Volkswirte über unser Wirtschaftssystem ausreichen mag.
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https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik.pdf?__blob=publicationFile</ref>}}Eine plausibel erscheinende Funktionsbeschreibung der Banken, die auch für viele Erklärungen der Volkswirte über unser Wirtschaftssystem ausreichen mag. Die Bank wird dabei als eine "Black Box" angesehen, deren Eigenschaften man anhand der Auswirkungen auf das jeweilige Wirtschaftsmodell beschreibt. Geht es jedoch an die Untersuchung von bankinternen Vorgängen erweist sich diese vereinfachte Darstellung als vollkommen ungeeignet.  
  
 
====Schuld-Geld-Ebene====
 
====Schuld-Geld-Ebene====
Zuvor wurde erklärt, dass die Amsterdamer Wechselbank Gold- und Silbermünzen annahm und dem Einlieferer Bankguthaben in der internen Verrechungseinheit Bankgulden gutschrieb. Wem gehörten jetzt die Gold- und Silbermünzen? Sie gehörten der Bank. Der Kontoinhaber erhielt als Gegenleistung ein Bankguthaben. Was stellte jetzt dieses Bankguthaben dar? Ein Guthaben bedingt grundsätzlich auch das Vorhandensein einer Schuld. Wenn ich bei jemandem ein Guthaben besitze, gleichgültig ob es sich um Geld, Mehl oder Arbeitsstunden handelt, ist mein Gegenüber mir Geld, Mehl oder Arbeitsstunden schuldig. So verhält es sich auch bei dem Bankguthaben. Die Amsterdamer Wechselbank war die Lieferung von Gold- oder Silbermünzen schuldig.  
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In der Sprache der Bankbuchhalter haben wir es im Wesentlichen mit Forderungen und Verbindlichkeiten zu tun. Hierzu wieder ein Rückgriff auf die Amsterdamer Wechselbank. Zuvor wurde erklärt, dass sie Gold- und Silbermünzen annahm und dem Einlieferer Bankguthaben gutschrieb. Als Werteeinheit benutzte sie den "Bankgulden" eine interne Verrechnungseinheit, die nie als Münze existierte. Es stellt sich unweigerlich die Frage, wem denn die eingelieferten Gold- und Silbermünzen gehörten. Sie gehörten der Bank. Der Kontoinhaber erhielt als Gegenleistung ein Bankguthaben. Was stellte jetzt dieses Bankguthaben dar? {{Kasten hellbraun|Ein Guthaben bedingt grundsätzlich auch das Vorhandensein einer Schuld. Das Bankguthaben eines Kunden stellt auch gleichzeitig die Schuld der Bank gegenüber dem Kunden dar.}}
Mein Bankguthaben sind Schulden der Bank
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Wenn ich bei jemandem ein Guthaben besitze, gleichgültig ob es sich um Geld, Mehl oder Arbeitsstunden handelt, ist mein Gegenüber mir Geld, Mehl oder Arbeitsstunden schuldig. So verhält es sich auch bei dem Bankguthaben. Die Amsterdamer Wechselbank war die Lieferung von Gold- oder Silbermünzen schuldig.  
Es kommt also auf den Standort bei der Betrachtung an, was die Zahl auf dem Kontoauszug bedeutet. Als Kunde der Bank stellt mein Bankguthaben eine Forderung an die Bank dar. Andere, allgemein übliche Bezeichnungen sind Geschäftsbanken-Buchgeld, Giralgeld, Giroguthaben. Dieses Bankguthaben ist für den Bankkunden ein Zahlungsmittel wie es auch sein Bargeld ist. Er kann diese Zahlungsmittel auch beliebig bei der Bank in das jeweilig andere Zahlungsmittel umtauschen lassen. Sie sind gleichwertig, d. h. 1 € Bargeld ist genau so viel wert wie 1 € Giralgeld.  
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Es kommt also auf den Standort bei der Betrachtung an, was die Zahl auf dem Kontoauszug bedeutet. Als Kunde der Bank stellt das Bankguthaben eine Forderung an die Bank dar. Andere, allgemein übliche Bezeichnungen sind Buchgeld oder Geschäftsbanken-Buchgeld<ref>Zur Unterscheidung von den "Reserven", dem Buchgeld der Zentralbank die aussagekräftigeren Formulierungen "Geschäftsbanken-Buchgeld" und "Zentralbank-Buchgeld". </ref>, Giralgeld, Giroguthaben, Sichteinlagen. Dieses Bankguthaben ist für den Bankkunden genau so ein Zahlungsmittel wie es auch sein Bargeld ist. Er kann diese Zahlungsmittel auch beliebig bei der Bank in das jeweilig andere Zahlungsmittel umtauschen lassen. Sie sind gleichwertig, d. h. 1 € "Bargeld" ist genau so viel wert wie 1 € "Giralgeld".  
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Aus Sicht der Bank ist das Bankguthaben ihres Kunden jedoch ihre Schuld gegenüber dem Kunden. In den Bankbilanzen werden deshalb auch die Kundenguthaben als „täglich fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ aufgeführt. „Täglich fällig“ bedeutet dabei, dass der Bankkunde „sofort“ die Auszahlung seines Guthabens mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel, dem Bargeld, verlangen kann. Verbindlichkeit steht für „Schuld“. Somit handelt es sich um eine sofort fällige Schuld der Bank gegenüber dem Inhaber eines Bankguthabens.
 
Aus Sicht der Bank ist das Bankguthaben ihres Kunden jedoch ihre Schuld gegenüber dem Kunden. In den Bankbilanzen werden deshalb auch die Kundenguthaben als „täglich fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ aufgeführt. „Täglich fällig“ bedeutet dabei, dass der Bankkunde „sofort“ die Auszahlung seines Guthabens mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel, dem Bargeld, verlangen kann. Verbindlichkeit steht für „Schuld“. Somit handelt es sich um eine sofort fällige Schuld der Bank gegenüber dem Inhaber eines Bankguthabens.
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====Kredite====
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Bei der Kreditvergabe von Banken wird ein Schuldenpaar erzeugt. Der Kreditnehmer verschuldet sich im Kreditvertrag gegenüber der Bank und diese verschuldet sich im Gegenzug gegenüber dem Kreditkunden durch die Erhöhung der "täglich fälligen Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditkunden".
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Wodurch sind jetzt die "Verbindlichkeiten gegenüber dem Kunden" gedeckt? Durch Forderungen der Bank auf ihrer Vermögensseite. 
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{{Kasten hellbraun|Die Schulden gegenüber den Kunden auf der Passivseite werden durch Vermögenswerte auf der Aktivseite gedeckt.<ref>Auf der Pssivseite der Bilanz werden die Schulden aufgeführt und auf der Aktivseite die Vermögenswerte</ref>}}
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Es wird offensichtlich, dass ohne klare Ebenenzuordnung es in einer Diskussion über „Geld“ und „Forderungen/Verbindlichkeiten“ zwangsläufig zu Missverständnissen kommen muss. In der Literatur wird überwiegend auf der „Ding-Geld-Ebene“ diskutiert, d.h. auf der Passivseite steht Geld, mit welchem Kredite auf der Aktivseite finanziert werden. Dies ist ein Trugschluss, der immer wieder zu Verwirrungen führt . Richtig ist:
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{{Kasten hellbraun|Die Passivseite finanziert keine Kredite oder sonstigen Vermögenswerte der Bank, sondern sie ist nur eine Auflistung, von wem die Bank finanzielle Mittel erhalten hat und folglich auch, wem sie etwas schuldet.}}
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Bisher nicht erwähnt wurde ein wichtiger Unterschied zwischen dem Schuldversprechen des Kreditnehmers gegenüber der Bank und dem Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer. Auch wenn die Betragshöhe beider Versprechen gleich ist, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in den zugrunde liegenden Fristen. Während das Schuldversprechen des Kreditnehmers die Rückzahlung des Kredites nach z. B. 1 Jahr vorsieht, ist das Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer sofort fällig. In den Artikeln [[Das Geldrätsel: Fristenspekulation|Fristenspekulation]] und [[Das Geldrätsel: Bodensatztheorie|Bodensatztheorie]], welche eng miteinander verwoben sind, wird auf diese Thematik näher eingegangen.
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====Fazit====
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Die eingangs gestellte Frage nach der Bedeutung der Zahl auf dem Kontoauszug kann nun beantwortet werden
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* Die Zahl auf dem Kontoauszug stellt für den Bankkunden die Höhe seines Kontoguthabens und damit seinen Bestand an Giralgeld dar.
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* Das Bankguthaben bedeutet gleichzeitig, dass die Bank eine Schuld gegenüber dem Kunden hat. Somit besitzt dieser eine Forderung an die Bank.
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* Für die Bank stellt das Bankguthaben keinesfalls einen Vermögenswert dar, sondern eine Schuld gegenüber dem Kunden. In der Bilanz des Kunden ist es hingegen ein Vermögenswert. 
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* Das Bankguthaben stellt auch einen Kredit des Kunden an die Bank dar. Das Guthabenkonto beinhaltet noch nicht erfüllte Forderungen an die Bank, somit hat die Bank einen Kredit erhalten. Die Banken bezeichnen ihre Gläubiger auch entsprechend als Kreditoren und ihre Schuldner als Debitoren.
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* Aus juristischer Sicht verkörpert das Bankguthaben Rechte gegenüber der Bank, hier ein unverbrieftes Forderungsrecht.
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{{Kasten hellbraun|Bei Untersuchungen des Geldsystems ist zu fragen, ob das vereinfachte Modell der "Ding-Geld-Ebene" mit dem Geld als Sachgut ausreichend ist. Tiefergehende Betrachtungen auch der internen Vorgänge in den Banken benötigen zwingend das Modell der "Schuld-Geld-Ebene", in welchem Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. In Argumentationen darf nun die Begriffsebene nicht beliebig gewechselt werden, sondern man muss konsequent auf der angefangenen Ebene bleiben, will man Fehlschlüsse, wie anfangs erwähnt, vermeiden.}}   
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==Einzelnachweise==
 
==Einzelnachweise==
 
<references >
 
<references >

Version vom 22. Juni 2017, 22:21 Uhr

Diese drei Begriffe hängen irgendwie zusammen, sind aber auch Anlass für viele Missverständnisse, wenn ihre unterschiedliche Bedeutung nicht klar herausgestellt wird. Was bedeutet zum Beispiel die Zahl auf unserem Kontoauszug? Stellt sie „Geld“ dar, ist es ein „Kredit“, ein Vermögenswert, eine "Forderung" oder aber ein „Recht“?

Wie entsteht ein solches Missverständniss? Betrachten wir ein Giroguthaben bei der Bank. Banktechnisch gesehen handelt es sich bei den Sichteinlagen auf der Passivseite der Bankbilanz um „Verbindlichkeiten der Bank gegenüber Kunden“, vereinfacht gesagt um Schulden der Bank.

Wie aber können Schulden der Bank zur Deckung eines Kredites verwendet werden?

Die Verwirrung entsteht durch die weit verbreitete Auffassung, dass auf den Girokonten „Geld“ liegen würde. Da dieses „Geld“ der Kunden zu einem Großteil auf den Girokonten verbleibt, kann es für Kredite verwendet werden? Dann müsste es bei der Auszahlung von Krediten jedoch auch entsprechend verringert werden, was ganz offensichtlich nicht der Fall ist. Im Gegenteil, die Sichtguthaben steigen insgesamt bei Krediten der Bank an.

Oft wird auch die Frage gestellt:

Wie kann ich mit Schulden eine Rechnung bezahlen?

Wenn das Giralgeld der Bank eine Schuld ist, wird dann mit dieser Schuld eine andere Schuld getilgt?

Die vorgenannten Überlegungen resultieren aus der Sichtweise der "Ding-Geld-Ebene". Geld muss ein Ding sein, dessen Menge in den Kontenbüchern notiert wird. Diese Betrachtung muss zwangsläufig in die Irre führen, da in einer Bilanz kein "Geld" notiert wird sondern lediglich Forderungen und Verbindlichkeiten oder auch Guthaben und Schulden. Aus juristischer Sicht kann man auch von Rechten sprechen. Bewegt man sich deshalb auf der Ebene von Bankbilanzen und der Bankbuchführung, sollte man sich bewusst sein, dass unsere heutigen Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. Unser Giralgeld besteht aus Forderungen gegen die Bank. Es ist unser Guthaben gegenüber der Bank. Entsprechend bezeichnet die Bank sie als eigene Verbindlichkeit (Schuld) gegenüber den Bankkunden. Wir befinden uns damit auf der "Schuld-Geld-Ebene" in welcher nur Forderungen als Zahlungsmittel angesehen werden. Es erscheint jetzt auch logisch, dass mit Schulden keine Kredite finanziert werden können. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichtweisen hilft, Fehlschlüsse zu vermeiden. Dazu werden beide "Ebenen" nachfolgend ausführlich beschrieben.


Ding-Geld-Ebene

Beginnen wir mit der allgemeinen Auffassung von Geld. Oft wird nur das Bargeld als tatsächliches Geld angesehen[1]. Dies ist wohl im Wesentlichen noch auf die Goldwährungszeit zurückzuführen in der nur werthaltige Gold- und Silbermünzen „echtes Geld“ darstellten. Das später eingeführte Papiergeld stellte nur einen Ersatz für das der Bank übergebene „echte Geld“ dar. Die Bank verpflichtete sich auf der Banknote den Banknotenwert in Gold- oder Silbermünzen auszuzahlen, wenn die Banknote am Bankschalter vorgelegt wird. Noch wirkungsvoller für den Zahlungsverkehr waren Bankguthaben, mit denen Zahlungen bereits sehr frühzeitig elegant ohne jegliche Bewegung von Gold– oder Silbermünzen, aber auch ohne die Verwendung von Banknoten getätigt werden konnten. Ein frühes Beispiel für eine weitgehend reine Überweisungsbank war die Amsterdamer Wechselbank. Sie nahm Gold- und Silbermünzen entgegen und schrieb sie als Bankgulden, einer internen Verrechnungseinheit, gut. Zahlungen konnten fortan mit der Überweisung von Bankgulden von einem Konto auf ein anderes Konto getätigt werden. Die Bankgulden, die Zahlen auf den Kontenblättern der Bank, standen somit stellvertretend für das eingezahlte „echte Geld“. Im Laufe der Jahrhunderte verschwanden die werthaltigen Münzen wie auch jeder Bezug zu Gold und Silber aus den Währungssystemen. Unser heutiges Geldsystem besteht nur noch aus Münzen, Geldscheinen und Kontoguthaben.

Aus ehemaligen Ansprüchen auf Gold- und Silbermünzen sind nur noch Ansprüche auf die Vermögenswerte der Geschäftsbanken und der Zentralbank geblieben.

Diese Aussage mag etwas verunsichern und wird deshalb nachfolgend näher erläutert. Geblieben aus der Goldwährungszeit ist jedoch das Vorstellungsmodell von Geld als einem Sachgut. Münzen und Geldscheine wie auch die Kontoguthaben bei der Bank werden als „Geld“ wahrgenommen. Die Kontoguthaben stellen lediglich eine andere Form von „Geld“ dar. Mit diesem „Geldmodell“ kann man sehr viele Funktionen und Wirkungsweisen unseres Wirtschaftssystems „begreiflich“ machen, da die Grundeinheit quasi ein "Stück Geld“ darstellt. Die Volkswirte benutzen dieses Modell für allgemeine Aussagen über die Wirtschaft und die Rolle, welche die Banken dabei spielen. Die Deutsche Bundesbank hierzu:

Banken spielen eine wichtige Rolle als Geldvermittler in der Wirtschaft. Auf der einen Seite nehmen sie das Geld von Sparern entgegen. Auf der anderen Seite geben sie es in Form von Krediten an Unternehmen oder Privatpersonen weiter, die damit beispielsweise neue Maschinen oder Immobilien kaufen können. [2][3]

Eine plausibel erscheinende Funktionsbeschreibung der Banken, die auch für viele Erklärungen der Volkswirte über unser Wirtschaftssystem ausreichen mag. Die Bank wird dabei als eine "Black Box" angesehen, deren Eigenschaften man anhand der Auswirkungen auf das jeweilige Wirtschaftsmodell beschreibt. Geht es jedoch an die Untersuchung von bankinternen Vorgängen erweist sich diese vereinfachte Darstellung als vollkommen ungeeignet.

Schuld-Geld-Ebene

In der Sprache der Bankbuchhalter haben wir es im Wesentlichen mit Forderungen und Verbindlichkeiten zu tun. Hierzu wieder ein Rückgriff auf die Amsterdamer Wechselbank. Zuvor wurde erklärt, dass sie Gold- und Silbermünzen annahm und dem Einlieferer Bankguthaben gutschrieb. Als Werteeinheit benutzte sie den "Bankgulden" eine interne Verrechnungseinheit, die nie als Münze existierte. Es stellt sich unweigerlich die Frage, wem denn die eingelieferten Gold- und Silbermünzen gehörten. Sie gehörten der Bank. Der Kontoinhaber erhielt als Gegenleistung ein Bankguthaben. Was stellte jetzt dieses Bankguthaben dar?

Ein Guthaben bedingt grundsätzlich auch das Vorhandensein einer Schuld. Das Bankguthaben eines Kunden stellt auch gleichzeitig die Schuld der Bank gegenüber dem Kunden dar.

Wenn ich bei jemandem ein Guthaben besitze, gleichgültig ob es sich um Geld, Mehl oder Arbeitsstunden handelt, ist mein Gegenüber mir Geld, Mehl oder Arbeitsstunden schuldig. So verhält es sich auch bei dem Bankguthaben. Die Amsterdamer Wechselbank war die Lieferung von Gold- oder Silbermünzen schuldig.

Es kommt also auf den Standort bei der Betrachtung an, was die Zahl auf dem Kontoauszug bedeutet. Als Kunde der Bank stellt das Bankguthaben eine Forderung an die Bank dar. Andere, allgemein übliche Bezeichnungen sind Buchgeld oder Geschäftsbanken-Buchgeld[4], Giralgeld, Giroguthaben, Sichteinlagen. Dieses Bankguthaben ist für den Bankkunden genau so ein Zahlungsmittel wie es auch sein Bargeld ist. Er kann diese Zahlungsmittel auch beliebig bei der Bank in das jeweilig andere Zahlungsmittel umtauschen lassen. Sie sind gleichwertig, d. h. 1 € "Bargeld" ist genau so viel wert wie 1 € "Giralgeld".

Aus Sicht der Bank ist das Bankguthaben ihres Kunden jedoch ihre Schuld gegenüber dem Kunden. In den Bankbilanzen werden deshalb auch die Kundenguthaben als „täglich fällige Verbindlichkeiten gegenüber Kunden“ aufgeführt. „Täglich fällig“ bedeutet dabei, dass der Bankkunde „sofort“ die Auszahlung seines Guthabens mit dem gesetzlichen Zahlungsmittel, dem Bargeld, verlangen kann. Verbindlichkeit steht für „Schuld“. Somit handelt es sich um eine sofort fällige Schuld der Bank gegenüber dem Inhaber eines Bankguthabens.

Kredite

Bei der Kreditvergabe von Banken wird ein Schuldenpaar erzeugt. Der Kreditnehmer verschuldet sich im Kreditvertrag gegenüber der Bank und diese verschuldet sich im Gegenzug gegenüber dem Kreditkunden durch die Erhöhung der "täglich fälligen Verbindlichkeit gegenüber dem Kreditkunden".

Wodurch sind jetzt die "Verbindlichkeiten gegenüber dem Kunden" gedeckt? Durch Forderungen der Bank auf ihrer Vermögensseite.

Die Schulden gegenüber den Kunden auf der Passivseite werden durch Vermögenswerte auf der Aktivseite gedeckt.[5]

Es wird offensichtlich, dass ohne klare Ebenenzuordnung es in einer Diskussion über „Geld“ und „Forderungen/Verbindlichkeiten“ zwangsläufig zu Missverständnissen kommen muss. In der Literatur wird überwiegend auf der „Ding-Geld-Ebene“ diskutiert, d.h. auf der Passivseite steht Geld, mit welchem Kredite auf der Aktivseite finanziert werden. Dies ist ein Trugschluss, der immer wieder zu Verwirrungen führt . Richtig ist:

Die Passivseite finanziert keine Kredite oder sonstigen Vermögenswerte der Bank, sondern sie ist nur eine Auflistung, von wem die Bank finanzielle Mittel erhalten hat und folglich auch, wem sie etwas schuldet.


Bisher nicht erwähnt wurde ein wichtiger Unterschied zwischen dem Schuldversprechen des Kreditnehmers gegenüber der Bank und dem Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer. Auch wenn die Betragshöhe beider Versprechen gleich ist, besteht doch ein wesentlicher Unterschied in den zugrunde liegenden Fristen. Während das Schuldversprechen des Kreditnehmers die Rückzahlung des Kredites nach z. B. 1 Jahr vorsieht, ist das Schuldversprechen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer sofort fällig. In den Artikeln Fristenspekulation und Bodensatztheorie, welche eng miteinander verwoben sind, wird auf diese Thematik näher eingegangen.

Fazit

Die eingangs gestellte Frage nach der Bedeutung der Zahl auf dem Kontoauszug kann nun beantwortet werden

  • Die Zahl auf dem Kontoauszug stellt für den Bankkunden die Höhe seines Kontoguthabens und damit seinen Bestand an Giralgeld dar.
  • Das Bankguthaben bedeutet gleichzeitig, dass die Bank eine Schuld gegenüber dem Kunden hat. Somit besitzt dieser eine Forderung an die Bank.
  • Für die Bank stellt das Bankguthaben keinesfalls einen Vermögenswert dar, sondern eine Schuld gegenüber dem Kunden. In der Bilanz des Kunden ist es hingegen ein Vermögenswert.
  • Das Bankguthaben stellt auch einen Kredit des Kunden an die Bank dar. Das Guthabenkonto beinhaltet noch nicht erfüllte Forderungen an die Bank, somit hat die Bank einen Kredit erhalten. Die Banken bezeichnen ihre Gläubiger auch entsprechend als Kreditoren und ihre Schuldner als Debitoren.
  • Aus juristischer Sicht verkörpert das Bankguthaben Rechte gegenüber der Bank, hier ein unverbrieftes Forderungsrecht.

Bei Untersuchungen des Geldsystems ist zu fragen, ob das vereinfachte Modell der "Ding-Geld-Ebene" mit dem Geld als Sachgut ausreichend ist. Tiefergehende Betrachtungen auch der internen Vorgänge in den Banken benötigen zwingend das Modell der "Schuld-Geld-Ebene", in welchem Zahlungsmittel nur aus Forderungen bestehen. In Argumentationen darf nun die Begriffsebene nicht beliebig gewechselt werden, sondern man muss konsequent auf der angefangenen Ebene bleiben, will man Fehlschlüsse, wie anfangs erwähnt, vermeiden.


Einzelnachweise

  1. Georg Friedrich Knapp stellt in seinem Werk „Die staatliche Theorie des Geldes noch fest: "Bankguthaben sind kein Geld"
  2. Aus Schule und Bildung für die Sekundarstufe I, https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Service/Schule_und_Bildung/die_banken_und_das_eurosystem.pdf?__blob=publicationFile
  3. Aus Geld und Geldplitik, ein Schülerbuch der Deutschen Bundesbank für die Sekundarstufe II.

    Das Finanzsystem umfasst die Finanzintermediäre ( insbesondere Banken ), die Finanzmärkte und die finanzielle Infrastruktur. Aufgabe des Finanzsystems ist es, die Anbieter von Kapital mit den Nachfragern nach Kapital zusammenzubringen und dessen Austausch zu erleichtern. Das Banken- und Finanzsystem Seite 87

    4.1 Funktionen des Banken- und Finanzsystems Kaum jemand – ob Einzelperson, Unternehmen oder öffentlicher Haushalt – wird jederzeit exakt genauso viel Geld einnehmen wie ausgeben. Jeder baut also ständig Geldvermögen auf oder ab. Wer überschüssiges Geld hat, kann dieses gewinnbringend anlegen und wird so zum Anbieter von finanziellen Mitteln. Gleichzeitig gibt es Unternehmen, die investieren, indem sie beispielsweise Maschinen kaufen, und Privatpersonen, die große Anschaffungen finanzieren wollen. Sie benötigen häufig mehr Geld als sie besitzen. Indem sie zusätzliches Geld aufnehmen, werden sie zu Nachfragern von finanziellen Mitteln. Die Aufgabe des Finanzsystems besteht darin, das Weiterleiten finanzieller Mittel von Anbietern zu Nachfragern zu erleichtern.

    https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Schule_und_Bildung/geld_und_geldpolitik.pdf?__blob=publicationFile

  4. Zur Unterscheidung von den "Reserven", dem Buchgeld der Zentralbank die aussagekräftigeren Formulierungen "Geschäftsbanken-Buchgeld" und "Zentralbank-Buchgeld".
  5. Auf der Pssivseite der Bilanz werden die Schulden aufgeführt und auf der Aktivseite die Vermögenswerte