Wirtschaftliche Möglichkeiten für unsere Enkelkinder

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Beeinflusst durch die Weltwirtschaftskrise hielt Maynard Keynes 1930 in Madrid eine Vorlesung über „Ökonomische Möglichkeiten für unsere Enkelkinder“

Die Fragestellung:

„Welchen Stand des wirtschaftlichen Lebens können wir vernünftigerweise von jetzt an in hundert Jahren erwarten? Was sind die wirtschaftlichen Möglichkeiten für unsere Enkelkinder?“

Entwicklung

John Maynard Keynes unterscheidet zwei wesentliche Zeitabschnitte.

  • Einmal den Abschnitt vor dem 18. Jahrhundert , welcher durch „keine großen Veränderungen im Lebensstandard des durchschnittlichen, in der zivilisierten Welt lebenden Menschen“ gekennzeichnet war.
  • Ab dem 18.Jahrhundert hat sich das jedoch grundlegend verändert. Dies wird auf die bedeutenden technischen Fortschritte und die Kapitalakkumulation zurückgeführt.


Der technische Fortschritt ab dem 18. Jahrhundert ist kaum zu verbergen. Denken wir an die Erfindungen von Dampfmaschinen, Eisenbahnen, Elektrizität, Autos, so können wir uns heute eine Welt ohne diese Errungenschaften nicht mehr vorstellen.

Als Kapitalakkumulation wird die Anhäufung von Kapital in den Händen von Geldbesitzern und Unternehmern verstanden. Keynes sieht dies als eine der wesentlichen Voraussetzungen für unsere wirtschaftliche Entwicklung an. Die „Macht des Zinseszins“ hat die „Kraft der Kapitalanhäufung“ über die letzten 200 Jahre in „ihrer Stärke erneuert“, d. h. nur durch die treibende Kraft des Zinseszins ist die ungeheure Wirtschaftsentwicklung möglich gewesen.

Englands wirtschaftlicher Aufstieg

1580 erbeutete Francis Drake von den Spaniern riesige Mengen an Gold und Silber. Königin Elisabeth, als beträchtliche Anteilseignerin des die Expedition finanzierenden Konsortiums, konnte mit ihrem Anteil die gesamte Auslandsschuld Englands bezahlen, den Haushalt ausgleichen und noch 40.000 Pfund erübrigen. Diese investierte sie in die Levante- Gesellschaft. Mit den Gewinnen der Levante- Gesellschaft wurde die Ost- Indische Gesellschaft gegründet, deren Gewinn wiederum Grundlage für Englands Auslandsinvestitionen waren. Englands Auslandsinvestitionen wurden von Keynes 1930 auf 4 Milliarden Pfund geschätzt.

Er folgert daraus: „Somit sind aus jedem Pfund, das Drake 1580 nach Hause brachte, 100.000 Pfund geworden. Das ist die Kraft des Zinseszins.“

Dieser Vermehrung ging jedoch auch eine äußerst vorteilhafte Investition in den Freibeuter (Pirat im Regierungsauftrag) Francis Drake voraus. Wikipedia vermerkt hierzu:

"Ein Londoner Konsortium unter Führung von Thomas Gresham (dem Begründer der Londoner Börse), das die Reise finanziert hatte, erzielte über ihre Investition einen Gewinn von 4.700 Prozent." (Hier erblasst auch Herr Dr. Josef Ackermann, Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bank und des Group Executive Committee, noch vor Neid, verlangt er doch nur lächerliche 25 Prozent Rendite)

Bedürfnisse der Menschen

Die Bedürfnisse der Menschen, welche unersättlich scheinen, unterteilt er in zwei Klassen:

  • absolute Bedürfnisse
  • relative Bedürfnisse

Absolute Bedürfnisse sind Grundbedürfnisse, welche jeder Mensch, unabhängig in welcher Gemeinschaft er lebt, besitzt. Hierzu zählen Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung und weitere.

Mit relativ bezeichnet Keynes die Bedürfnisse, welche wir fühlen "wenn ihre Befriedigung uns über unsere Mitmenschen erhebt, uns ein Gefühl der Überlegenheit gibt". Die Erklärung dieses Begriffes bleibt sehr schwammig.

Die Erfüllung der absoluten Bedürfnisse sieht er in absehbarer Zeit als erfüllbar an und dass wir dann vorziehen, "unsere weiteren Kräfte nicht-wirtschaftlichen Zwecken zu widmen"

Aussichten nach 1930

Keynes erkennt, dass die Produktivität bedeutend schneller ansteigt als die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze. In wenigen Jahren werden für die Tätigkeiten in der Landwirtschaft, im Bergbau und im produzierenden Gewerbe nur noch ein Viertel der bisherigen menschlichen Anstrengungen erforderlich sein. Er verwendet den Begriff der "technologischen Arbeitslosigkeit" welche durch Rationalisierung entsteht, sieht hierin aber nur eine vorübergehende Phase einer mangelhaften Anpassung.

"Auf lange Sicht bedeutet dieses, dass die Menschheit dabei ist, ihr wirtschaftliches Problem zu lösen"

Die Lösung des wirtschaftlichen Problems ist seiner Ansicht nach bisheriger Zweck unserer natürlichen Entwicklung. "Wenn das wirtschaftliche Problem gelöst ist, wird die Menschheit eines ihrer traditionellen Zwecke beraubt sein". Wissenschaft und Zinseszins haben für den Menschen Freizeit gewonnen, damit er weise, angenehm und gut leben kann.

Drei-Stunden-Schicht

Für die Erfüllung der absoluten Bedürfnisse sind nur noch drei Stunden Arbeit am Tag nötig, dass heißt eine 15 Stunden Woche reicht aus. Es hat tatsächlich eine Arbeitszeitreduzierung bis etwa 1980 stattgefunden, seither bleibt die Arbeitszeit jedoch im Wesentlichen konstant.

Liebe zum Geld

"Es gibt auch Veränderungen in anderen Bereichen, die wir erwarten müssen. Wenn die Akkumulation (= Anhäufung Anm.)des Reichtums nicht mehr von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist, werden sich große Veränderungen in den Moralvorstellungen ergeben." Die Liebe zum Geld wird als das erkannt werden, was es ist, ein "ziemlich widerliches, krankhaftes Leiden, eine jener halb-kriminellen, halb-pathologischen (im Sinne von krankhafter Sucht) Neigungen, die man mit Schaudern den Spezialisten für Geisteskrankheiten überlässt."

Ein lobenswerter Ansatz, welcher sich jedoch aus heutiger Sicht als naiv und wirklichkeitsfremd herausstellt. Die Voraussetzung für eine positive Änderung wäre ein Wertewandel, welcher sich jedoch noch nicht abzeichnet.

Noch einmal 100 Jahre

"Aber Achtung! Die Zeit für all dies ist noch nicht gekommen. Für wenigstens noch einmal hundert Jahre müssen wir uns selbst und allen anderen vormachen, dass das Anständige widerlich und das Widerliche anständig ist; denn das Widerliche ist nützlich, das Anständige ist es nicht. Geiz, Wucher und Vorsicht müssen für eine kleine Weile noch unsere Götter bleiben. Denn nur sie können uns aus dem Tunnel der wirtschaftlichen Notwendigkeit ans Tageslicht führen."

Diese Aussage zeigt, dass unser wirtschaftliches Handeln für Keynes nur eine Übergangssituation darstellt, welche wir jedoch um das Ziel einer gewandelten Gesellschaft zu erreichen, ertragen müssen.

"Vor allem aber lasst uns die Bedeutung der wirtschaftlichen Aufgabe nicht überbewerten oder ihren vermeintlichen Notwendigkeiten andere Dinge von größerer und beständigerer Bedeutung opfern."

Quellen