Autor Thema: Geld und Geldversprechen  (Gelesen 3943 mal)

Mumken

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Geld und Geldversprechen
« am: 07. September 2014, 11:38:58 »
Nach Georg Friedrich Knapp ist Geld ein Geschöpf der Rechtsordnung, wie er in seinem Werk "Staatliche Theorie des Geldes" feststellt.
Offensichtlich basiert auch der Auszug im nachfolgende Beitrag von Renée Menéndez, in einem Beitrag auf "Geld mit System" auf dieser Auffassung. (siehe auch soffisticated, die Blogseite von Renée Menéndez)

Zitat

Der Grund ist einfach der, daß eine Zentralbank, die einer Geschäftsbank einen Kredit erteilt die Verpflichtung übernimmt, auf erste Anforderung Banknoten an die Bank zu liefern (im wahrsten Sinne des Wortes). Mit dieser Lieferung von Banknoten (die für eine Zentralbank keinen Wert aufweisen) reduziert sich sofort die Schuld der Zentralbank, während die entsprechende Forderung unverändert bestehen bleibt. Die Geschäftsbank bucht einen Aktivtausch (Zugang Bargeld / Abgang Forderungen an Zentralbank), während die Zentralbank einen Passivtausch vornimmt (Abgang Verbindlichkeit gegen Geschäftsbank / Zugang Banknotenumlauf). Das Entscheidende dabei ist, daß die Lieferung von Banknoten für die Zentralbank eine schuldbefreiende Übergabe der geschuldeten Sache "Banknoten" ist und die Zentralbank demzufolge nach Banknotenausgabe weniger Schulden hat als vorher. Dabei ist zu beachten, daß die übergebenen Banknoten als Erfüllung einer Verbindlichkeit selbst eine Sache sind und keine Verbindlichkeit, denn eine Verbindlichkeit kann nicht mit einer Verbindlichkeit getilgt werden, sondern nur mit der Übergabe der geschuldeten Sache.

Aus diesem Grund ist entgegen einem weitverbreiteten Irrtum eine Banknote eine Sache (mit Registriernummer), und weder eine Forderung noch eine Verbindlichkeit. (Daß man die Forderung gegen eine Zentralbank, die ihr eigenes Geld betrifft so behandeln kann, als wäre es eine Sache, hatte ich ja schon angedeutet.) Die auch häufig anzutreffende Interpretation, der Banknotenumlauf wäre eine Verbindlichkeit der Zentralbank weil der ja schließlich "auf der Passivseite steht", stellt eine elementare Verwechslung der Kategorien Schuldrecht und Sachenrecht dar. Der Banknotenumlauf ist so gesehen nichts weiter als ein Merkposten über das Volumen der ausgelieferten (emittierten) Banknoten - und eben keine Schuld, weil er Ausdruck von beglichenen Schulden ist.



Meine Antwort dazu, teilweise gekürzt und ergänzt:

Dein Modell der Beschreibung der Banknote als eine Sache kann ich zwar nachvollziehen, halte die Erklärung aber für wenig geeignet, die Funktion der Banknote in unserem heutigen Geldsystem wiederzugeben. Unser Rechtssystem arbeitet vielfach noch mit Begriffen aus den vorigen Jahrhunderten.

So spricht § 488 BGB - Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag von einem Darlehen wenn ein Kredit gemeint ist. Dem Darlehensnehmer wird ein "Geldbetrag" zur Verfügung gestellt. Er erhält ein "Lehen", hat sich etwas geliehen. Zu Zeiten von Warengeld oder einer goldgedeckten Währung sicher eine zutreffende Beschreibung. Für unser heutiges Geldsystem ist mE diese Beschreibung eher irreführend. Es wird nichts mehr verliehen.

Bereits 1889 sagte Henry Dunning Macleod, ein schottischer Nationalökonom in seinem Buch "The Theory of Credit":

"A Bank is, therefore, not an office for ,borrowing' and ,lending' money: but it is a Manufactory of Credit: as Bishop Berkeley said, ,a Bank is a Gold Mine'."

Korrekt ist, das Bargeld das einzige "gesetzliche Zahlungsmittel" ist und die Übergabe von Bargeld eine schuldbefreiende Wirkung hat.  Das Buchgeld der Geschäftsbanken ist kein gesetzliches Zahlungsmittel sondern nur ein Versprechen der Geschäftsbank, dieses auf Anforderung in Bargeld umzutauschen. Da der Staat aber dieses Buchgeld zur Zahlung von Steuern akzeptiert, ja sogar eine direkte Barzahlung mittlerweile ablehnt, ist auch das Buchgeld der Geschäftsbanken dem Bargeld faktisch gleichgestellt, (s. a. Geldarten).

Das Buchgeld der Geschäftsbanken kann man aber auch als Verbindlichkeit der Geschäftsbank gegenüber dem Kunden ansehen. Die Geschäftsbank verleiht das Vertrauen, welches sie allgemein genießt, an den Kreditnehmer. Sie stellt ihm auf seinem Girokonto den Kreditbetrag zur Verfügung. Mit diesem kann er "wie mit Geld" bezahlen. Als Verrechnungseinheit wird die gegenwärtige Währung genommen. Werden heute 97% der Zahlungsströme mit Buchgeld abgewickelt und nur 3 % mit Bargeld, so ist der Stellenwert von Bargeld in unserem Geldsystem doch leicht ersichtlich. Dies macht mE deutlich, dass die Fixierung auf das Bargeld als einzigem "gesetzlichem Zahlungsmittel mit Annahmezwang und Schuldbefreiung" an der heutigen Realität vorbeigeht.

Eine ähnliche Diskussion erfolgte auf die Aussage in einer Mailingliste:
Zitat
"GBs schaffen Kredite (wobei die Forderungen zirkulieren=als Geld fungieren; sie sind aber niemals endgültiges Zahlungsmittel)"


Woher stammt die Erkenntnis, dass Geschäftsbanken-Buchgeld "niemals endgültiges Zahlungsmittel ist"? Die Zusammenhänge zwischen "gesetzlichem Zahlungsmittel" und Geschäftsbanken-Buchgeld sind bekannt. Wenn durch eine Überweisung eine Forderung beglichen wird, ist dieser Vorgang endgültig. ZBG steht zwar als Referenzgröße im Hintergrund, ist aber selbst nicht zwingend zur Begleichung der Forderung erforderlich. Die Überweisungsverfahren im frühen Bankwesen habe ich einmal an einem einfachen Beispiel aufgeführt.
Depositen- und Girobanken
Es handelte sich zwar um Goldmünzen, die als Referenz im Tresor einer Bank deponiert waren, aber ansonsten sind die Verhältnisse zur Klärung der Referenz vergleichbar. Die Gulden (Goldmünzen) wurden eingelagert und dienten bei der Girobank fortan vorwiegend nur noch als Referenz. Auf den Kontenblättern der Bank wurden Guthaben notiert und als Maßeinheit wurde der Gulden genommen. Zahlungsvorgänge wurden nur noch durch "Umschreibungen" auf den Kontenblättern vorgenommen. Auch hier könnte man die tatsächliche Goldmünze als endgültiges Zahlungsmittel bezeichnen, auch wenn sie im Tagesgeschäft bei Überweisungen überhaupt nicht mehr in Erscheinung trat. Die Gulden im Tresor waren zweitrangig geworden. Außer für Auflösungen oder Barabhebungen von Konten wurden sie nicht mehr benötigt. Alle Überweisungen konnten auch "endgültig" mit Buchgeld erfolgen. Der Zahlungsverkehr der Bank wäre auch weitergelaufen, wenn im Tresor überhaupt keine Gulden mehr vorhanden gewesen wären.  Der Bankbesitzer hätte sie ja unrechtmäßigerweise heimlich entwendet haben können. Dies geschah ähnlich mit der Bank von Amsterdam, nur dass die Bank das Bargeld an die "Niederländische Ostindien-Kompanie" ausgeliehen hatte. Der Bankbetrieb lief weiter. Erst als bekannt wurde, dass im Tresor nur noch ein Teil des eingelegten Geldes vorhanden war, kam es zu einem Bank Run. Ohne den Verrat dieser Internas wäre es zu keiner Krise gekommen.
Amsterdamer Wechselbank

Mit dem Beispiel möchte ich nur erläutern, dass der Referenzwert zwar für den Überweisungsverkehr von Bedeutung ist, dass tatsächliche Vorhandensein dieser Werte in entsprechendem Volumen jedoch nicht zwingend erforderlich ist. 


Obwohl die Sesterzen alsbald nicht mehr geprägt wurden und erst später als Messing- oder Bronzemünzen wiederauftauchten, bestanden sie gemäß Mitchell-Innes noch Jahrhunderte später weiter als körperlose Recheneinheit. (Theorie des Geldes - Geld als Kredit)  Es ginge theoretisch also auch ohne dass Vorhandensein von ZBG. Wird das Bargeld abgeschafft und die Mindestreserve auf Null gesetzt, wird ZBG nur noch als Währungseinheit benötigt (wenn die Banken sich entsprechend vertrauen und den Ausgleich von Überweisungen via Bankenkontokorrent bewerkstelligen).

Den Vorgang der Auslieferung von Bargeld durch die Bundesbank sehe ich etwas anders als von Dir dargestellt. Die Banknoten stellen mE einen Schuldschein der Bundesbank dar. Die Bundesbank erwirbt Aktiva von der Geschäftsbank und bezahlt diese mit Forderungen auf sich selbst. Diese Forderungen können aus Zentralbank-Buchgeld oder aber Bargeld bestehen. Das Aktivum besteht aus einer Forderung gegen die Geschäftsbank, besichert mit zentralbankfähigen Wertpapieren. Zahlt die Geschäftsbank nun den Kreditbetrag mit Bargeld (oder aber auch mit Zentralbank-Buchgeld) zurück, erlischt auch das Aktivum und die Zentralbank muss die als Sicherheit hinterlegten Wertpapiere freigeben. Ich sehe hier nicht, wie die Zentralbank im ersten Schritt durch Ausgabe von Bargeld ihre Schuld gegenüber der Geschäftsbank endgültig abgegolten hätte. Wie auch das Zentralbank-Buchgeld stellt das Bargeld eine Schuld der Zentralbank dar. Unser Rechtssystem in der von Dir vorgenommen Weise in die Erklärung unseres Geldsystems einzuflechten, halte ich nicht für besonders zweckmäßig. 
---Ende des ursprünglichen Beitrages---
Renée Menéndez hat auf meinen Einwand bis heute nicht geantwortet.

Die vorgenannte Auffassung von Renée Menéndez kann zwar als extrem angesehen werden, jedoch ist die Vorstellung von Bargeld als einzigem legitimem "Geld" auch sonst weit verbreitet. Danach existiert "Geld" und ein "Anspruch auf dieses Geld". Das uns bekannte Geschäftsbanken-Buchgeld ist solch ein "Anspruch auf Geld". Das Bargeld, als Produkt der Zentralbank, wird zwar von allen Teilnehmern am Wirtschaftsleben eines Staates meist ohne Widerspruch als Zahlungsmittel akzeptiert, jedoch erfüllt auch das Buchgeld der Geschäftsbanken diese Zahlungsmittelfunktion ebenso.

Beste Grüße
Rudi
« Letzte Änderung: 07. Februar 2015, 00:01:20 von Mumken »